Wenn Frauen nicht mehr lieben
anderen Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen begrei-fen. Und daß diese sich in der Regel grundlegend von denen ihrer Männer unterscheiden. Nicht zuletzt führt das zu einer gewissen Einsamkeit der Geschlechter, zumindest zu dem Gefühl eines Mangels an emotionaler Nähe. Die Frau fühlt sich nicht verstanden, der Mann fühlt sich allein.
Bei Elena und Hans geht es nicht um den Konflikt. Wer ist mehr zu Hause? Was man zunächst vermuten würde.
Elena kämpft. Sie will etwas von Hans, und kann es selbst nicht recht benennen. Es ist ihr auch nicht bewußt, was sie wirklich von ihrem Ehegatten einfordert. Elena möchte, daß Hans sich in ihr Nest, in ihr Zuhause begibt. Sie ist zentripetal orientiert, will ihn deshalb in ihren Kreis hereinholen, um ihn bei sich zu haben und seine Nähe zu spüren. Für Elena ist es wichtig, daß Hans sich in ihrem häuslichen »Nest« umschaut, daß er sich für ihre Umgebung interessiert, daß er die Bilder anschaut, die sie ihm aus ihrem Alltag mit Worten zeigt. Sie hat wie viele Frauen ein ausgesprochenes Bedürfnis, ihr Nest zu harmonisieren. Er soll zuhören, und beim Zuhören auch mitgehen, sich von Elenas Schwingungen im Raum tragen lassen. So käme er hinein in Elenas geheime Gemächer, 168
die von ihm entdeckt werden sollen. Das ist nicht eine direkte sexuelle Nähe, für Elena aber dennoch eine erotisch gefärbte Nähe. Der Raum, das Gefäß, in das Elena ihren Mann hineinziehen will, soll nicht leer bleiben. Es will gefüllt werden mit der Präsenz des männlichen Du in diesem weiblichen Raum. Frauen wollen von Männern oft gar keine Lösungen für ihre Probleme, sondern nur, daß der Mann ihnen zuhört und emotional mitgeht.
Männer hingegen haben ein anders geartetes Bedürfnis nach Nähe als Frauen. Ein Mann kann sich seiner Frau sehr nahe fühlen, wenn er im Flughafen auf einer Geschäftsreise ein schönes Geschenk für sie entdeckt, von dem er glaubt, es sei das Nonplusultra für seine Frau. Oder wenn er ihr gerade eine Karte schreibt. Dann geht er zur nächsten Sache über und denkt nicht mehr an seine Liebste. Um sich nahe zu fühlen, ist der Mann oft viel unabhängiger von körperlicher und räumlicher Nähe und auch vom Gespräch.
Bei der Frau hingegen ist das Fühlen und Denken viel kontext- und auch personenbezogener. Während der Mann sich überlegt, wie er den nächsten Gipfel am besten und schnellsten besteigen kann, nimmt die Frau die nahe Umgebung um sich herum viel schärfer und konturierter wahr. Sie bemerkt auch die kleinsten Veränderungen viel schneller als ein Mann. Ein naturbedingter Unterschied?
Weil Frauen die Bewegungen des kleinen Kindes scharf beobachten müssen, um es vor Gefahren zu schützen?
Vielleicht. Jedenfalls wurden diese Unterschiede in zahlreichen wissenschaftlichen Tests mit hoher Signifi-kanz festgestellt.
»Gleichheit impliziert nicht die Leugnung von Unterschieden«, meint Erich Fromm, »sondern die Möglichkeit zu deren vollster Verwirklichung.« Fromm vertritt die These – und dieser Meinung schließe ich mich an –, daß 169
gewisse biologische Unterschiede charakterologische Unterschiede zur Folge haben. Solche Unterschiede –
soweit sie nicht von der Kultur bestimmt sind – bedeuten aber niemals Werturteile. Jeder sollte die Freiheit haben, so Fromm, seine besondere Individualität als Angehöriger seines Geschlechtes voll zur Entfaltung zu bringen. Von diesem Ziel sind wir in unserer westlichen Gesellschaft aber noch weit entfernt. Vor allem dann, wenn wir daran festhalten, Mädchen wie Jungen zu erziehen und Jungen wie Mädchen. Wo doch jedes Kind ein Anrecht darauf hätte, seinem Geschlecht und seinem Alter entsprechend erzogen zu werden.
Frauen entwickeln oft den Charakterzug der Genauig-keits-, Sauberkeits- und Reinlichkeitsliebe. Nicht selten läßt sich bei Frauen ein regelrechter Kontrollzwang beobachten, durch den so mancher Mann schon zur Strecke gebracht wurde. Denn Frauen entdecken eine Untreue ihres Mannes viel eher als umgekehrt. Nicht etwa, weil Frauen weniger fremdgehen, sondern weil sie besser beobachten können, genauer hinschauen, nonverbale Botschaften gezielter und treffender interpretieren. Wenn der Mann ihnen einen Blumenstrauß nach Hause bringt, freuen sie sich nicht unbedingt darüber, sondern wittern schon die dahinter steckenden Schuldgefühle, die er wegen seiner Eskapaden bei der letzten Geschäftsreise hat.
Frauen beobachten genau, seinen Blick, seine Stimme, seinen
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