Wenn Frauen zu sehr lieben
muss sie respektieren lernen, selbst wenn sie sich wünscht, er möge anders sein.
Durch diese Haltung wird sie frei – frei von Groll über seine mangelnde Verfügbarkeit, frei von den Schuldgefühlen, die sie quälten, weil sie ihn nicht zu ändern vermochte, frei von der Last der endlosen Versuche, das zu ändern, was sie nicht ändern kann. Vielleicht wächst dadurch sogar ihre Zuneigung zu ihm, weil Bitterkeit und Schuldgefühle nicht mehr den Blick für seine positiven, liebenswerten Eigenschaften verstellen.
Wenn sie den Versuch aufgibt, ihn zu ändern, und ihre Energie neu ausrichtet, um ihre eigenen Interessen zu entwickeln, dann wird sie auf jeden Fall ein gewisses Maß an Glück und Zufriedenheit erfahren – ganz gleich, was ihr Partner tut. Vielleicht findet sie sogar heraus, dass ihr dieses neue Leben wirklich Freude und Erfüllung bietet, auch wenn der Partner ihr nur selten zur Seite steht. Ihre Entscheidung, das eigene Glück weniger von ihm abhängig zu machen, kann aber auch eine Trennung zur Folge haben, weil sie die Bindung an einen ständig abwesenden Partner für sinnlos erachtet. Diese Entscheidungsmöglichkeiten hat sie aber erst, wenn sie ihr eigenes Glück nicht mehr von seiner Veränderung abhängig macht. Solange sie ihn nicht als den akzeptiert, der er ist, bleibt sie gefangen in ihrer Erstarrung, die einem Scheintod gleicht: Sie muss darauf warten, dass er sich ändert, bevor sie ihr eigenes Leben leben kann.
Wenn eine Frau, die zu sehr liebt, ihren Kreuzzug aufgibt, wenn sie ihren Partner nicht mehr zu ändern versucht, dann ist er tatsächlich gezwungen, über die Konsequenzen seines eigenen Verhaltens nachzudenken. Wenn sie nicht mehr frustriert und unglücklich ist, sondern sich über ihr Leben freuen kann, verschärft sich der Kontrast zu seiner eigenen Existenz. Vielleicht beschließt er, für eine Ablösung von seinen Zwängen zu kämpfen, um offener, zugänglicher zu werden. Vielleicht aber auch nicht. Doch ganz gleich, wofür er sich entscheidet: Eine Frau, die ihren Partner so akzeptiert, wie er ist, wird frei, ihr eigenes Leben zu leben, glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
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Wenn eine Sucht die andre nährt
In jedem Leben gibt es viel Schmerz; der einzige Schmerz, der sich vermeiden ließe, resultiert aus dem Versuch, Schmerz zu vermeiden.
Ronald D. Laing
F rauen, die zu sehr lieben, sind schlimmstenfalls beziehungssüchtig, männersüchtig, berauscht von Schmerz, Angst und Sehnsucht. Leider sind sie häufig nicht nur nach Männern verrückt. Um die tiefsitzenden Gefühle aus der Kindheit am Hochkommen zu hindern, sind etliche Frauen zusätzlich von Suchtmitteln, das heißt suchterzeugenden chemischen Substanzen, abhängig. Vielleicht haben sie schon in der Jugend, vielleicht erst als Erwachsene, damit begonnen, Alkohol oder andere Drogen zu missbrauchen. Für Frauen, die zu sehr lieben, ist Nahrungsmittelmissbrauch besonders typisch. Sie essen maßlos viel oder maßlos wenig oder tun beides, um die Realität auszublenden, sich abzulenken, das Gefühl von innerer Leere zu betäuben.
Nicht jede Frau, die zu sehr liebt, isst oder trinkt zu viel oder nimmt Drogen, aber bei denjenigen, für die dies zutrifft, muss die Entwöhnung von der Beziehungssucht einhergehen mit der Entwöhnung von der Suchtmittelabhängigkeit. Denn je stärker wir uns von Alkohol, Drogen oder Nahrungsmitteln abhängig machen, desto stärker werden auch unsere Gefühle von Schuld, Scham, Angst und Selbsthass. Wir werden immer einsamer und isolierter und verzehren uns nach der Sicherheit, die uns eine Partnerschaft zu versprechen scheint. Weil wir selbst so schlecht von uns denken, brauchen wir einen Mann, um uns wohler zu fühlen. Weil wir uns selbst nicht lieben können, brauchen wir ihn, um uns zu beweisen, dass wir doch liebenswert sind. Wir reden uns ein, wir müssten nur den richtigen Mann finden, dann würden wir auch nicht mehr so viel Nahrung, Alkohol oder Drogen brauchen. Wir benutzen Beziehungen auf dieselbe Weise wie unsere Suchtmittel, denn von beiden erwarten wir, dass sie uns unseren Schmerz nehmen. Scheitert eine Beziehung, brauchen wir noch mehr von der chemischen Droge, um die ersehnte Erleichterung zu finden. Die körperliche Abhängigkeit von einem Suchtmittel, verstärkt durch die Belastungen einer gestörten Beziehung, und die seelische Abhängigkeit von einer Beziehung, verstärkt durch die aus der körperlichen Abhängigkeit resultierenden
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