Wenn Frauen zu sehr lieben
nicht für das, was es ist, und versucht nicht, es zu verändern. In diesem Verhalten Labelles liegt die Lehre und Weisheit des Märchens. Weil sie akzeptieren kann, gewinnt auch dieses Wesen endlich die Freiheit, das Beste aus sich selbst zu machen. Dies ist nun zufällig ein hübscher junger Prinz (und der perfekte Partner für sie), was die Belohnung ihrer Fähigkeit zu akzeptieren symbolisiert. Ihre Belohnung besteht in einem fröhlichen, erfüllten Leben – übersetzt in die Sprache des Märchens: «… und lebte mit ihrem Prinzen glücklich bis ans Ende ihrer Tage».
Einen anderen Menschen wirklich so zu akzeptieren, wie er ist, ohne zu versuchen, ihn durch Ermutigung, Manipulation oder Zwang zu ändern, ist eine hohe Kunst des Liebens, die die meisten von uns nur unter großen Schwierigkeiten in die Tat umsetzen können. In Wahrheit steckt in all unseren Bemühungen, einen anderen Menschen zu ändern, ein grundsätzlich egoistisches Motiv: der Glaube, dadurch glücklich zu werden, dass er sich verändert. Natürlich ist es nicht falsch, glücklich sein zu wollen, aber wenn wir die Quelle dieses Glücks außerhalb von uns selbst suchen, es in die Hände eines anderen Menschen legen, dann weichen wir damit unserer Fähigkeit und Verantwortlichkeit aus, unser eigenes Leben positiv zu verändern.
Nur indem wir einen anderen Menschen akzeptieren, gestehen wir ihm zu, sich zu ändern – wenn er es wirklich will. Dies möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn eine Frau einen arbeitssüchtigen Partner hat – einen so genannten
workaholic
– und darüber jammert oder schimpft, dass er so lange von zu Hause fort ist, dann gibt ihr Verhalten ihm die Rechtfertigung für sein Verhalten: Er wird vermutlich weiterhin genauso viel oder sogar noch mehr arbeiten, um ihrem Gejammer zu entrinnen. Mit anderen Worten: Ihr Schimpfen, ihre flehentlichen Bitten, ihre Versuche, ihn zu ändern, ermöglichen es ihm erst, zu glauben, nicht
er
würde zu viel arbeiten, sondern sie zu viel schimpfen, und das sei der Grund für ihre ehelichen Spannungen. Ihr zwanghaftes Verlangen, ihn zu ändern, kann tatsächlich genauso viel zu der seelischen Entfremdung zwischen ihnen beitragen wie sein zwanghaftes Arbeitsverhalten. Indem sie ihn dazu zwingen will, ihr näher zu sein, stößt sie ihn doch nur immer weiter ab.
Arbeitssucht ist eine schwere Störung, genau wie jede andere Art von Zwangsverhalten. Dieser Mann stürzt sich in die Arbeit, entweder um sich vor Nähe und Intimität zu schützen, die er als bedrohlich erlebt, oder um zu verhindern, dass bestimmte unangenehme Gefühle, vor allem Angst und Verzweiflung, in ihm hochsteigen. (Arbeitssucht ist eine Form von Selbstvermeidung und tritt häufig bei Männern auf, die in dysfunktionalen Familien aufgewachsen sind, während sich bei Frauen, die aus ähnlichen Familienverhältnissen kommen, solche Vermeidung vorwiegend darin äußert, dass sie zu sehr lieben.) Der Preis, den er für diese Selbst-Vermeidung zu zahlen hat, besteht in einer eingeschränkten Existenz, die ihn daran hindert, voll auszukosten, was das Leben für uns bereithält. Aber nur er kann entscheiden, ob dieser Preis zu hoch ist und ob er die zur Veränderung erforderlichen Maßnahmen ergreifen und die entsprechenden Risiken eingehen will. Die Aufgabe seiner Frau besteht nicht darin, sein Leben wieder in Ordnung zu bringen, sondern für ihre eigene Weiterentwicklung zu sorgen.
Wir könnten fast alle viel glücklicher und erfüllter leben als wir glauben. Oftmals sind wir davon überzeugt, das Verhalten eines anderen Menschen stünde unserem eigenen Glück im Weg – und verzichten somit darauf, uns selbst zu verwirklichen. Wir nehmen die Verpflichtung nicht wahr, uns selbst zu entwickeln. Gleichzeitig versuchen wir aber mit Intrigen, Manövern und Manipulationen, diesen anderen zu ändern, und wenn unsere Bemühungen fehlschlagen, werden wir wütend, mutlos und deprimiert. Der Versuch, einen anderen Menschen zu ändern, ist in sich deprimierend und frustrierend, aber die Kraft, eine Veränderung in uns selbst zu bewirken, ist lebensbejahend.
Um auf unser Beispiel zurückzukommen: Wie kann nun die Frau des arbeitssüchtigen Mannes frei werden, ihr eigenes Leben zu leben, ganz gleich, was er macht? Sie muss zu der Überzeugung gelangen, dass sein Problem nicht ihr Problem ist und dass sie weder die Macht noch die Pflicht noch das Recht hat, ihn zu ändern. Er hat das Recht zu sein, wer er ist – und das
Weitere Kostenlose Bücher