Wenn Frauen zu sehr lieben
Du bist mir halt wichtig; ich möchte wissen, ob es dir gut geht und dass du keinen Unfall hattest. Ich will dir gar kein schlechtes Gewissen machen; ich möchte nur, dass du verstehst, wie sehr ich mich um dich sorge. Ich liebe dich. Das ist der Grund. Tut mir leid, dass ich so wütend geworden bin.
TOM (hört einen falschen Unterton heraus): (V) Na, wenn du dir wirklich so viele Sorgen machst, wieso freut es dich dann nicht, dass ich heil zu Hause angekommen bin? Warum überfällst du mich mit dem Gejammer, wo ich denn bloß gesteckt hätte? Hast du kein Vertrauen zu mir? Ich bin’s allmählich leid, dir immer alles erklären zu müssen. Würdest du mir vertrauen, dann würdest du ohne mich einschlafen und dich freuen, wenn ich nach Hause komme, anstatt mir gleich eine Szene zu machen! Manchmal glaube ich, es macht dir einfach Spaß, dich mit mir zu streiten.
MARY (mit erhobener Stimme): (V) Ich soll mich freuen, dich zu sehen? Nachdem ich zwei Stunden lang wachgelegen und gegrübelt habe, wo du wohl sein könntest? Es hat seinen Grund, dass ich dir nicht traue. Du tust nichts, damit ich Vertrauen zu dir haben kann. Du rufst mich nicht an, du schimpfst mit mir, wenn ich mich aufrege, und dann beschuldigst du mich auch noch, nicht nett zu dir zu sein, wenn du dich endlich zur Tür reinschleichst! Warum machst du nicht einfach kehrt und gehst dahin zurück, wo du den ganzen Abend gewesen bist?
TOM (besänftigend): (R) Hör mal, ich weiß, dass du ärgerlich bist, und ich habe einen anstrengenden Tag vor mir. Soll ich dir nicht eine Tasse Tee machen? Das ist doch genau, was du jetzt brauchst. Dann dusche ich noch schnell und komme ins Bett, ja?
MARY (weinend): (O) du verstehst einfach nicht, wie es ist, wenn ich warte und warte und weiß, dass du anrufen könntest, es aber nicht tust. Ich bin dir einfach nicht wichtig genug …
Wollen wir hier abbrechen? Wie Sie vermutlich gesehen haben, könnten die beiden noch viele Stunden, Tage, ja sogar Jahre damit fortfahren, die Plätze in diesem Dreieck zu tauschen, immer wieder Retter, Verfolger und Opfer zu spielen. Nehmen Sie als Reaktion auf einen anderen Menschen gelegentlich selbst eine dieser Rollen ein? Dann sollten Sie wissen, dass Sie sich damit in einen Kreislauf von Anschuldigung, Widerspruch, Vorwurf und Gegenvorwurf begeben, der sinnlos, vergeblich und erniedrigend ist. Machen Sie Schluss damit. Geben Sie es auf, durch nettes, wütendes oder hilfloses Verhalten unbedingt erreichen zu wollen, was Sie bezwecken. Ändern Sie, wen Sie tatsächlich ändern können – sich selbst! Verzichten Sie darauf, gewinnen zu müssen. Verzichten Sie darauf, streiten zu müssen oder ihm gute Gründe beziehungsweise Entschuldigungen für sein Verhalten oder seine Nachlässigkeit abzuverlangen. Verzichten Sie darauf, von ihm zu erwarten, dass ihm etwas hinreichend leidtut.
Was erfordert das?
Es erfordert, dass Sie der Versuchung widerstehen, Reaktionen zu zeigen, mit denen das Spiel fortgesetzt werden kann. Reagieren Sie stattdessen auf eine Weise, die das Spiel beendet. Das ist anfangs ziemlich schwierig, aber mit einiger Übung wird es Ihnen gelingen (wenn Sie zuvor Ihr Bedürfnis bezwungen haben, eben diese Spiele zu spielen, was Teil des vorigen Schrittes war: mit dem Bestimmen und Kontrollieren Schluss zu machen).
Lassen Sie uns noch einmal zu der eben beschriebenen Szene zurückkehren und überlegen, wie Mary sich aus dem schier endlosen Spiel mit Tom heraushalten könnte: Mittlerweile hat Mary begonnen, ihre Spiritualität zu entwickeln, und ist sich bewusst, dass sie kein Recht dazu hat, über Tom zu bestimmen und ihn zu kontrollieren. Als es an diesem speziellen Abend allmählich dunkel wird und Tom noch immer nicht zu Hause ist, kümmert sie sich um sich selbst: Statt zuzulassen, dass sie richtig nervös wird und sich in ihre Gefühle hineinsteigert, ruft sie eine Freundin aus ihrer Selbsthilfegruppe an. Beide sprechen über Marys aufsteigende Angst, was ihr hilft, sich zu beruhigen. Für Mary ist es wichtig, über ihre Gefühle zu reden. Die Freundin hört ihr verständnisvoll zu, ohne ihr Ratschläge zu erteilen. Nachdem sie aufgelegt hat, spricht sich Mary eine ihr besonders wichtige Affirmation vor: «Mein Leben wird von einer höheren Macht geleitet, und meine innere Ruhe, Sicherheit und Gelassenheit wachsen von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde.» Mary gibt sich den tröstlichen Worten dieser Affirmation hin. Da sie sich nicht auf zwei Gedanken
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