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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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Dominikanerinnen, uns gregorianischen Gesang beizubringen. Zu meiner Freude war unsere Lehrerin Schwester Saint Vincent, die Priorin meiner Highschool gewesen war und später ans Sienna College in Camberwell ging. Bei unserer letzten Begegnung hatte ich sie während
der Schuljahresabschlussfeier in einem Sketch parodiert. Schwester Saint Vincent hatte wieder ihren eigenen Namen Patricia angenommen und trug im Einklang mit dem Konzil ein gemäßigtes Habit. Anfangs erkannte sie mich nicht - vermutlich wegen der Frisur -, doch als sie es dann tat, war sie erstaunt und lachte und küsste mich. Dann bombardierte sie mich mit Fragen, die ich nur zögerlich beantwortete, denn schließlich war ich von den anderen Schwestern umgeben.
    Nach unserem Unterricht im Salon der George Street gingen wir zu Patricias Kloster, um dort die Dominikanernonnen die Messe singen zu hören, damit wir eine bessere Vorstellung davon bekamen, wie es sich anhören sollte. Die Dominikanerkapelle war wunderschön, mit einem Innenhof, umgeben von einem Kreuzgang, und die Dominikanerinnen waren sehr gastfreundlich und luden uns ein, Tee mit ihnen zu trinken. Schwester Regina lehnte dies höflich ab. Ich dachte, hier wäre Gelegenheit zu einer angenehmen Mahlzeit, da sie ebenfalls religiös waren, aber die Regeln, die Mahlzeiten außerhalb des eigenen Klosters verboten, wurden streng eingehalten.
    Nach der Messe nahm Patricia mich beiseite. »Bist du immer noch glücklich dort, Colette?«
    »Ja, mir geht es gut.«
    »Du hast abgenommen.«
    »Das wird wohl der Grund dafür sein, weshalb Rell und Bren mir Reis und Vitamine geschickt haben«, scherzte ich.
    Damals gestattete ich mir nicht, mich für unglücklich zu halten, und schob ihre freundliche Frage beiseite, aber ich stand zweifellos unter ziemlichem Druck, denn ich hatte
zehn Kilo abgenommen. Seit fast einem Jahr hatte ich auch keine Regelblutung mehr, was immer ein Anzeichen von Stress oder Untergewicht ist. An Ostern sangen wir die Liturgie in unserer Kapelle und wiederholten dies dann an großen Festtagen. Die Psalmen, welche die Liturgie ausmachen, waren als Lieder geschrieben, nicht nur als Gebete, die aufgesagt wurden, und trotz meiner anfänglichen Vorbehalte fand ich die Gesänge rhythmischer und friedvoller als nur das Aufsagen der Worte.
    In der Osternacht feierten wir das christliche Versprechen, dass das Leben am Ende den Tod und das Gute das Böse besiegen wird. Mit der ganzen Gemeinde versammelten wir uns auf den Stufen vor der Saint Patrick’s Cathedral, um das Osterfeuer zu entzünden - das Symbol für das Licht Christi, das am Kalvarienberg ausgelöscht, aber bei der Auferstehung wieder angezündet wurde. Kardinal Knox zündete die mit den griechischen Initialen A und Ω, Alpha und Omega, Anfang und Ende des griechischen Alphabets, verzierte Osterkerze an. Wir folgten der brennenden Kerze in das Dunkel der höhlenartigen Kathedrale. Die flackernde Flamme warf unheimliche Schatten hoch zu den Balustraden, als der Priester sie drei Mal in die Höhe hielt und dabei sang, »Christus, das Licht«, worauf die Gemeinde erwiderte: »Dank sei Gott«. Am Ende jeder Kirchenbank zündeten die Gemeindemitglieder ihre Kerzen an der Osterkerze an, und das Licht wurde durch die Reihen weitergereicht, sodass bald schon der Innenraum der Kathedrale im Kerzenlicht erstrahlte. Die Orgel setzte donnernd ein, und der Chor sang aufwühlende Hymnen von der Auferstehung und vom Leben.

    Dieser Glaube, dass auf den Tod die Auferstehung folgt, war für unseren Lebensweg entscheidend. Unsere Novizinnengemeinschaft feierte mit einem Osterpicknick in einem Nationalpark in der Nähe von Melbourne. Ich war begeistert, denn es weckte so viele Erinnerungen an zuhause - dort war es kühl und waldreich, und es gab Schluchten voller Baumfarne. Tarzanlianen hingen von den Riesenbäumen, und aus dem Unterholz drang lebhafter Vogelgesang. Da wir uns allein glaubten, rannten wir fröhlich die Buschpfade entlang, bis wir an einer abgeschiedenen Stelle ein Pärchen aufschreckten.
    Nach Ostern kehrten wir zu unseren Studien und in die Eintönigkeit der Innenstadt zurück. Dies war meine Lebensrealität, und ich akzeptierte sie. Wie konnte ich nur daran denken, meine Liebe zur Natur zu befriedigen, solange in den Straßen von Kalkutta Menschen hungers starben? Dem nachzugeben wäre Luxus. Ich tauschte mich mit meinen Mitnovizinnen nicht über meine Gefühle, meine Sehnsüchte, Enttäuschungen oder Vorlieben aus, denn es

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