Wenn heiße Wuensche erwachen
Rocky Mountains hatte. Lyndie trat an den Rand des Vorsprungs. Dort ging es gute dreißig Meter nach unten. Niemand konnte einen Sturz aus dieser Höhe überleben.
Doch das Panorama aus Bergen und Himmel war einmalig. Lyndie stand lange Zeit da und genoss die Stille und Einsamkeit. Ein friedliches Gefühl durchströmte sie wie die Brise, die unter ihr durch die Zitterpappeln strich.
Schließlich drehte sie sich um und sah direkt in das wütende Gesicht von Bruce Everett.
„Die erste Regel in der Wildnis lautet: Geh nirgendwo allein hin”, fuhr er sie an und stieg von Beastie Boy ab.
„Es tut mir Leid”, stammelte sie, erschrocken über seine plötzliche Anwesenheit.
„Wer würde es mitbekommen, falls dir hier draußen etwas zustößt? Woher würdest du Hilfe erhalten?”
„Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich wollte einfach mal sehen, was hier oben ist. Ich dachte, zu Fuß sei es sicherer als auf Girlie.”
„Das macht überhaupt keinen Unterschied. Du hättest dich trotzdem verletzen können, und niemand hätte gewusst, wo du bist.” Er trat zu ihr. „Tu das nie wieder. Hast du mich verstanden?”
Sie nickte, Angesichts seines Zorns stiegen ihr Tränen in die Augen. Er hatte ja Recht, sie zu tadeln, denn schließlich war er für die Gäste der Ranch verantwortlich, und für Lyndie ganz besonders, weil sie Hazel McCallums Großnichte war.
„Meine Neugier war einfach zu groß. Ich weiß, dass wir nirgendwo allein hingehen sollten, aber ich wollte sehen, wo du und …” Entsetzt schrie sie auf.
Der Boden unter ihren Wanderstiefeln gab nach. Offenbar hatte sie die Stärke des Felsvorsprungs falsch eingeschätzt, und jetzt zerbröckelte er unter ihr. Vor Angst erstarrt registrierte sie Bruce’ erschrockenes Gesicht und fragte sich, ob es das Letzte wäre, was sie sehen würde, bevor auch sie in den Tod stürzte.
„Tu, was ich dir sage. Nimm meine Hand”, befahl er, ließ sich zu Boden sinken und robbte auf dem Bauch zu ihr, als befänden sie sich beide auf brüchigem Eis.
Lyndie sah, dass er Beastie Boys Leine an einen seiner ledernen Beinschoner gebunden hatte. Auf diese Weise konnte das Pferd sie eventuell retten, falls sie beide abstürzten.
Vor Schreck erschauernd, ergriff sie seine Hand.
Er packte sie, während der Boden quälend langsam, Zentimeter um Zentimeter unter ihr nachgab.
Der Vorsprung war so instabil, dass Lyndie es nicht wagte, sich zu bewegen, aus Angst, sie könnte sie beide damit in die Tiefe reißen.
„Alles in Ordnung. Bleib ganz ruhig, es wird alles gut”, versuchte Bruce sie zu beruhigen.
Dann rief er Beastie Boy ein Kommando zu, und das Pferd begann rückwärts zu gehen.
Der Vorsprung gab endgültig unter Lyndie nach.
Sie schrie auf und fühlte, wie Steine und Erde unter ihr wegsackten.
Ein heftiger Ruck an ihrem Arm, und sie befand sich wieder auf festem Untergrund.
Beastie Boy zog sie noch einige Schritte weiter, ehe er stehen blieb.
Geschockt starrte Lyndie Bruce an. Sie lagen beide mit dem Bauch auf dem Boden, Staub in den Augen.
„Danke”, flüsterte sie, noch kaum in der Lage, zu atmen.
„Es war wirklich dumm von dir, hier heraufzukommen, obwohl du wusstest, dass dieser Pfad tabu ist”, knurrte er.
„Danke”, wiederholte sie benommen, da sie noch immer an nichts anderes denken konnte, als daran, dass sie am Leben war und er sie gerettet hatte.
„Man sollte dich übers Knie legen”, schimpfte Bruce weiter.
„Danke”, sagte sie und fing an zu weinen. „Du hast mich gerettet”, wiederholte sie wieder und wieder.
Er stand auf und wollte ihr hochhelfen. Erst da bemerkte sie den Schmerz in ihrem Arm.
Sie zuckte zusammen und wich zurück.
Bruce umfasste ihre Taille und half Lyndie aufzustehen. „Wahrscheinlich hast du ihn dir ausgekugelt”, meinte er.
Geschwächt ließ sie sich von ihm auf Beastie Boy setzen, und zusammen ritten sie den Berg hinunter.
Um den Schmerz erträglicher zu machen, schmiegte sie sich an seine muskulöse Brust.
Innerhalb weniger Sekunden hatte sich alles in ihrem Leben verändert, besonders ihre Gefühle für den Mann, der sie in den Armen hielt.
Er kam ihr nicht länger bäuerlich und weltfremd vor. Jetzt war er für sie ein Retter, ein Held. Nirgends würde sie sich so sicher fühlen wie in den Armen dieses Mannes.
Und alles, was sie tun konnte, war, immer und immer wieder zu flüstern, wie dankbar sie ihm war.
10. KAPITEL
„Sie wird ein wenig erschöpft sein. Wir haben ihr etwas gegen die Schmerzen
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