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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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Geschenkpapier ausgewickelt hatte.
    »Das ist … eine gute Idee«, hatte sie damals zu Dara gesagt. Diese hatte den Rest des Satzes abgewartet. »Aber im Grunde genommen ist es auch nichts anderes als die Plastikschüssel, die ich sonst verwende, nicht? Es ist eine Schüssel mit einem Kabel.«
    Doch vorhin hatte Mrs. Flood die ungeöffnete Schachtel
unter dem Bett hervorgeholt und die dicke Staubschicht abgewischt, und jetzt saß sie vor dem Fernseher, guckte Nationwide und gab immer wieder genüssliche Seufzer von sich, während die »Schüssel mit dem Kabel« ihr die Füße massierte und warme Wasserbläschen ihre dankbar gespreizten Zehen kitzelten.
    Dara schaltete den Backofen aus und deponierte den Rost mit den fertigen Baiserringen auf der Anrichte. Beim Anblick der schneeweißen Kringel musste sie unwillkürlich lächeln.
    Durch die Glasscheibe der Haustür erspähte sie die Umrisse eines Mannes. Vermutlich einer der Hausierer, die Mrs. Pettigrew so gern ärgerte. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab, die ihr Angel voriges Jahr aus Sizilien mitgebracht hatte, und öffnete die Tür. Es war Stanley Flinter.
    »Stanley«, sagte sie. »Ich … Ich hatte Sie nicht erwartet.« Jetzt konnte sie wenigstens Tintins Frage nach dem Trenchcoat beantworten. Stanley Flinter trug keinen Trenchcoat, sondern eine schwarze Jeansjacke, und dazu schmal geschnittene schwarze Jeans und ein weißes Hemd. Dara prägte sich alles genau ein. Tintin war ganz versessen auf Details.
    »Ich weiß, tut mir leid. Ich hätte vorher anrufen sollen. Komme ich ungelegen?«
    »Nein, nein, ich war nur gerade … in der Küche. Kommen Sie rein.« Sie öffnete die Tür ganz und trat beiseite, und Stanley gesellte sich zu ihr in den Flur. Die dunklen Bartstoppeln ließen ihn gespenstisch blass aussehen und betonten seine dunklen Augen. Wenn ihre Mutter ihn in die Finger bekam, würde sie auf einer ordentlichen Rasur und einem gründlichen Haarschnitt bestehen.
    »Hier riecht es gut«, stellte Stanley fest und ging in Richtung Küche. »Machen Sie Baiserringe?«
    »Ja.« Dara kam ihm nach. Tintin hatte recht, was die schmal geschnittenen Jeans anging – Stanley wirkte darin tatsächlich groß. Oder jedenfalls größer.
    »Ich liebe Baiserringe«, erzählte Stanley. »Sie haben so etwas … ich weiß auch nicht … etwas Erhebendes.« Er errötete ein wenig.
    Dara nickte. »Finde ich auch«, sagte sie und deutete auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich doch. Ich wollte gerade etwas Obstsalat dazu machen. Möchten Sie auch eine Portion?«
    Doch Stanley setzte sich nicht, sondern schlüpfte aus der Jacke und trat an die Anrichte. »Ich helfe Ihnen.«
    »Das ist nicht nötig. Ich …«
    »Ich schäle, Sie schnippeln, okay?« Er hängte seine Jacke über eine Stuhllehne und krempelte sich die Hemdärmel auf. Der Anblick seiner Arme, lang und blass und mit einer Handvoll dunkler Härchen übersät, überraschte Dara. Diese Arme sahen aus, als könnten sie anpacken, schwere Sachen heben. Er fand den Sparschäler, ohne erst danach zu fragen, nahm einen Apfel aus dem Obstkorb und machte sich ans Werk.
    »Okay«, sagte Dara. Sie griff nach den Trauben, wusch sie unter fließendem Wasser und begann sie zu halbieren. Sie schwiegen. Dara wusste, dass er ihr etwas zu sagen hatte. Etwas über den Fall. Über Mr. Flood. Und sie wusste, er würde es tun. Aber im Augenblick fand sie es irgendwie wohltuend, dass sie einfach hier standen, dicht nebeneinander, aber ohne sich zu berühren, und schnippelten und schälten. Die Geräuschkulisse, die sie umgab, kam ihr vor wie der Soundtrack eines alten Films, den man nie vergisst. Als sie Tintin später davon erzählte, bezeichnete er es als sonderbar, doch das war es ganz und gar nicht. Im Gegenteil, es fühlte sich an wie die natürlichste Sache der Welt. So vertraut, als hätten sie es schon hundertmal getan.
    Stanley schlug die Sahne. Dara holte die Schüsseln aus dem Schrank. Stanley legte das Besteck bereit. Dara machte Tee. Stanley füllte die Schüsseln mit Obstsalat. Dara stapelte die Baiserringe auf einen Teller und stellte ihn auf den Tisch. Und obwohl die Küche winzig klein und schmal war, berührten sie einander dabei nicht ein einziges Mal. Sie streiften sich noch nicht einmal. Stanley bewegte sich mit einer Anmut, die nicht so recht zu seiner kleinen Statur passen wollte. Seine Bewegungen wirkten fließend und zugleich wohlüberlegt. Er konnte tanzen, da war sie sicher.
    Sie setzten sich, und

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