Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
Vom Netzwerk:
Recht.
    »Am humansten wäre es, ihn einzuschläfern«, hatte der Tierarzt in jenem heiteren Tonfall erklärt, den er für derartige Unterhaltungen reserviert hatte.
    Doch Dara hatte Lucky aus unerfindlichen Gründen ins Herz geschlossen. Vielleicht, weil er sie mit seinen verschiedenfarbigen Augen immer so ansah, als wüsste er, dass dies seine letzte Chance war, die letzte Einkehr sozusagen, und Dara die einzige Barfrau, die noch Drinks servierte.
    Sie zog den Pulloverärmel über ihr Handgelenk. Die Bisswunde war zu einem hellrosa Streifen verblasst. Es war eine einmalige Sache gewesen, eine natürliche Reaktion aus Angst vor dem Unbekannten. Aber es stand in seiner Akte und ließ sich nicht mehr ungeschehen machen. Dara wusste, sie konnte ihm sein Schicksal nicht ewig ersparen, aber sie würde es möglichst lange hinauszögern.
    Sie ging zur Tür. »Können wir das nicht morgen besprechen?«
    »Morgän du bist in Paris«, erinnerte Anya sie unnötigerweise.
    »Ach, wer weiß. Ich habe meinen Pass noch nicht.«
    »Den bäkommst du noch. Miss Pättigrew wird dafür sorgen.«
    Dara schauderte. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass Anya recht behalten würde.
    »Dann eben übermorgen«, sagte sie, schon halb aus der Tür, und hopste die Stufen hinunter.
    »Da bist du immär noch in Paris«, rief Anya ihr nach.
    Dara ging unbeirrt weiter. »Am Samstag bin ich wieder da.«
    »Am Samstag ich habe frei. Ich mache Ausflug mit Geldeintreibär.«
    Dara drehte sich um und lächelte sie an. »Dann eben am Montag«, sagte sie. »Montag passt mir gut.«
    Anya seufzte und schloss kopfschüttelnd die Tür.
    Dara ging vor Luckys Käfig in die Knie und kraulte die Schnauze, die er ihr zwischen den Gitterstäben entgegenstreckte. »Wir haben Aufschub bis Montag«, flüsterte sie. »Also sei so gut und zieh dir, solange ich weg bin, ein paar Lassie-DVDs rein, damit du lernst, wie es geht, ja?«
    Lucky blickte sie so voller Vertrauen an, als wüsste er, dass er sich auf sie verlassen konnte.



40
    Bei ihrer Rückkehr wirkte das Haus im trüben grauen Abendlicht düster und kalt. Mrs. Flood hatte ihre AusmistAktion auf den Dachboden ausgeweitet. Dara vernahm das Rascheln einer Mülltüte und die schweren Schritte ihrer Mutter, die sich langsam und systematisch durch den vollgestopften Speicher bewegten. Angel hockte mit einem Fotoalbum auf dem Schoß in ihrem Zimmer und betrachtete einen Schnappschuss, der sie, Joe, Dara und Mrs. Flood vergangenes Jahr am ersten Weihnachtsfeiertag drüben bei Miss Pettigrew auf dem Sofa zeigte. Angel saß wie üblich zwischen Mrs. Flood und Dara. Alle vier hatten Papierhüte auf dem Kopf und sahen zu Miss Pettigrew, die nach drei Gläsern Sherry schon etwas beschwippst gewesen war. Nur Joe betrachtete Angel, als wollte er sich ihren Anblick genau einprägen. Als hätte er etwas geahnt.
    Als sie Dara an ihrer Tür stehen sah, klappte Angel das Album zu.
    »Irgendwelche Anrufe?«, erkundigte sich Dara wie üblich, obwohl die Antwort immer gleich lautete in letzter Zeit. Das Haus wirkte viel stiller, seit Joe nicht mehr anrief. Er hatte endgültig aufgegeben. Die Erkenntnis traf Dara wie ein Schlag. Es war, als würde jemand in der Stille eine Tür zuknallen. Dreimal.
    »Nein«, sagte Angel.
    Dara wusste zum ersten Mal in ihrem Leben nicht, worüber
sie mit Angel reden sollte. Ihr fiel einfach nichts ein. Als es an der Tür klingelte, hastete sie mit einer Mischung aus Erleichterung und schlechtem Gewissen nach unten.
    Die schmale Silhouette, die sich hinter der Buntglasscheibe der Eingangstür abzeichnete, kam ihr vage vertraut vor. Dara schüttelte den Kopf. Unmöglich. Sie traute ihren Augen nicht, selbst, als sie die Tür geöffnet hatte und die alte Dame vor sich stehen sah, in der Hand einen Regenschirm, der nach Moder und Mottenkugeln roch.
    »Miss Pettigrew! Was … Was machen Sie denn hier?«
    »Willst du mich nicht hereinbitten und mir etwas zu trinken anbieten?«
    »Natürlich. Ich bin bloß … überrascht, weil Sie Ihr Haus verlassen haben … Ich meine …«
    »Wie hätte ich denn sonst hierherkommen sollen?«
    Miss Pettigrew trat ganz selbstverständlich in den Flur, als würde sie hier ständig ein und aus gehen, dann schloss sie rasch die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Dara und befreite den dünnen Hals ihrer Nachbarin von dem sehr langen und ziemlich kratzigen Schal, den ihr Mrs. Flood vor einigen Jahren gestrickt hatte.
    »Selbstverständlich

Weitere Kostenlose Bücher