Wenn ich dich gefunden habe
geht es mir gut. Warum auch nicht?«
»Geben Sie mir Ihren Mantel. Und die Handschuhe. Und die … Tragen Sie da etwa Gamaschen über den Stiefeln?«
»Ganz recht. Es regnet, meine Liebe, ist dir das etwa entgangen?«
Für jemanden, der sich den Elementen seit Jahren nicht mehr gestellt hatte, war Mrs. Pettigrew ziemlich gut ausgerüstet. Edward hing unter dem Regenmantel in einer Art Babytrage, bei der aus einem der Beinlöcher sein Stummelschwanz herausragte, und schien die Tatsache, dass sich
sein Frauchen nach draußen gewagt hatte, bedeutend besser zu verkraften als Dara.
»Gehen Sie doch schon mal ins Wohnzimmer. Ich wollte gerade Tee machen …« Die alte Dame blickte ostentativ auf die Uhr. Es war kurz nach sieben. »Aber Sie können auch Sherry haben, wenn Ihnen das lieber ist. Wir müssten noch irgendwo eine Flasche haben …«
Miss Pettigrew nickte, und Dara konnte förmlich hören, wie ihre Knochen und Gelenke knirschten und knacksten, als sie sich umständlich auf dem Sofa niederließ.
Dara riss ein Streichholz an und hielt es an die Kienspäne im Kamin. Es war zwar schon März, und der Frühling hatte Einzug gehalten, aber die Abende waren noch kühl und feucht.
»Miss Pettigrew! Ist alles in Ordnung?« Mrs. Flood blieb wie angewurzelt in der Wohnzimmertür stehen und ließ den schwarzen Müllsack auf den Boden plumpsen. Sie blinzelte, als könnte ihr Gehirn die Informationen, die ihm die Augen lieferten, beim besten Willen nicht glauben.
»Aber natürlich ist alles in Ordnung. Warum auch nicht?«, erwiderte Miss Pettigrew gereizt, worauf Mrs. Flood offenbar beschloss, ihre Nachbarin nicht daran zu erinnern, dass sie seit dem angeblichen Tod von Ronald Reagan keinen Fuß mehr vor die Tür gesetzt hatte.
Miss Pettigrew sah sich um. »Dieses Haus kommt mir größer vor als meines. Komisch, nicht?«
Dara nickte. Das Haus wirkte eigenartig kahl, seit Mrs. Flood im Rahmen ihrer Ausmistaktion einen Großteil des herumstehenden und -liegenden Krimskrams in schwarzen Mülltüten hatte verschwinden lassen (einschließlich des Fußschemels, auf dem Mr. Flood abends die bestrumpften Füße abgelegt hatte).
»Ich … erledige gerade den Frühjahrsputz«, murmelte Mrs. Flood.
»Das ist gut für die Seele.« Mrs. Pettigrew beugte sich nach vorn und schlang die kalten, knochigen Finger um Mrs. Floods heiße, fleischige Hand. Die Geste hatte etwas seltsam Intimes. Dara hatte das Gefühl, sie sollte den Blick abwenden.
Mrs. Flood setzte sich neben ihre Nachbarin auf die Couch und öffnete den Mund, sagte aber nichts. Sie nickte nur, und Dara meinte, Tränen in ihren Augen glänzen zu sehen.
»Dara, sei so gut und bring uns zwei Gläser Sherry«, bat Miss Pettigrew. »Oder bring am besten gleich die ganze Flasche, dann müssen wir nicht so oft laufen.«
Dara konnte lediglich eine Flasche Kochsherry aufstöbern. Sie schnappte sich zwei Gläser und einen Teller Brownies, die sie am Vortag gebacken hatte, und als sie damit ins Wohnzimmer zurückkehrte, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass sich ihre Mutter wieder gefasst hatte. Mrs. Flood sah Dara an und schüttelte den Kopf. Sie hielt einen Reisepass in der Hand – Daras neuen Reisepass. Er war also doch noch rechtzeitig gekommen.
Miss Pettigrew strahlte sie an. »Verstehst du jetzt, warum ich herkommen musste? Mark im Passamt hat sich ordentlich ins Zeug gelegt. Trotzdem schuldet er mir noch den einen oder anderen Gefallen.«
Dara, die sich nicht vorstellen konnte, inwieweit Mark vom Passamt Miss Pettigrew gleich mehrere Gefallen schulden konnte, lief unter dem Blick ihrer Mutter rot an.
»Und?« Mrs. Flood beugte sich nach vorn, um den Pass auf den Fußschemel zu legen. Dann fiel ihr auf, dass er ja nicht mehr da war. Sie verschränkte die Arme vor
der Brust. »Wann hattest du gedacht, mir davon zu erzählen?«
Miss Pettigrew goss sich einen zweiten Sherry ein – einen doppelten – und leerte das Glas mit einer flinken, anmutigen Bewegung, die man ihrem arthritischen Handgelenk gar nicht zugetraut hätte. »Tja, ich geh dann mal besser. Edward und ich wollen uns heute sämtliche Folgen der letzten Staffel von Sex and the City angucken und dazu ein paar Cosmopolitans schlürfen. Mittwochabend ist unser Weiberabend, stimmt’s, Schätzchen?« Sie drückte dem Pudel einen Kuss aufs Ohr. »Vergiss nicht, Henri Grüße von mir zu bestellen, Dara«, fügte sie etwas atemlos hinzu.
»Welchem Henri?«
»Dem Concierge im Louis XIV. Ein
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