Wenn ich dich gefunden habe
geführt, flankiert von der Frau, deren gelangweilte Miene nun einer wachsamen gewichen war, sowie von einem Hünen, dessen Hand in Allzeit-bereit-Manier auf seinem Gummiknüppel ruhte. Der Hüne verschwand mit Stanley in der Kabine, die Frau zog den Vorhang zu und nahm Dara damit die Sicht auf die beiden.
Eine Weile herrschte in der Kabine hektische Betriebsamkeit, einmal ragte auch Stanleys Hand heraus, verschwand aber gleich wieder. Dann wurde der Vorhang wieder geöffnet, und Stanley erschien mit glühend roter Birne.
Als er diesmal – ganz vorsichtig – die Detektoren passierte, piepsten sie nicht, und die Frau setzte wieder ihre gelangweilte Miene auf, reichte ihm eine Plastiktüte und deutete mit dem Kopf auf die Kabine.
»Tut mir echt leid«, sagte Stanley, als sie schließlich in einem Café saßen und sich ihre Sandwiches mit Speck und reichlich brauner Sauce und ihren Kaffee zu Gemüte führten.
»Was war eigentlich in der Plastiktüte?« Dara hatte eigentlich nicht fragen wollen, aber die Neugier siegte.
Als Stanley erneut rot anlief, bereute sie ihre Frage.
»Na ja … Ähm …« Er beugte sich über seine Tasse, kippte umständlich braunen Zucker hinein, nachdem er das Beutelchen mehrfach geschüttelt hatte, und rührte und rührte, bis Dara irgendwann über den Tisch griff und ihm sanft den Löffel aus der Hand nahm. »Meine Unterhose«, gestand er und hob den Kopf.
»Ihre Unterhose?« Dara kicherte, zu ihrer eigenen Überraschung, denn sie gehörte sonst nicht zu den Frauen, die kichern. Es klang seltsam fremd und mädchenhaft. Tintin,
der ihr immer damit in den Ohren lag, sie solle sich mädchenhafter geben, hätte es bestimmt gutgeheißen.
»Nun, heutzutage gibt es dafür irgendeinen modernen Ausdruck, der mir gerade nicht einfällt. Aber das war in der Tüte – meine Unterhose.«
Dara bemerkte, wie sich der Mann am Nebentisch bemühte, ihre Unterhaltung zu belauschen. Sie wusste, sie sollte es dabei belassen, und normalerweise hätte sie das auch getan, aber sie musste es wissen. Sie beugte sich über den Tisch zu Stanley und fragte: »Warum war sie in der Tüte?«
»Nun, Sissy hat sie mir gekauft, und …«
»Sissy kauft Ihnen Unterwäsche?«
»Sie kauft alle meine Kleider. Sie besteht darauf.«
»Oh. Tja, das ist … nett von ihr, oder?«
»Ich habe sie gebeten, es bleiben zu lassen. Sie verlangt jeden Cent von mir zurück, selbst für die Klamotten, die mir nicht gefallen, und sie ist beleidigt, wenn ich sie nicht anziehe.« Stanleys braune Augen guckten so ernst, als hätte er einen Autounfall beobachtet, doch der Ansatz eines Lächelns umspielte seinen Mundwinkel, und sein einsames Wangengrübchen zog Daras Aufmerksamkeit auf sich.
»Wie dem auch sei, die Frau vom Sicherheitsdienst meinte, es handle sich um eine Designerunterhose, die mit einem Metalletikett versehen sei, auf dem der Designername stehen würde. Ich kann mich nicht erinnern, welcher. Aber jedenfalls war das der Grund, warum es immer wieder gepiepst hat.«
»Eine Designerunterhose.« Dara lächelte. »Na, falls Sie je ins Krankenhaus eingeliefert werden, können Sie es wenigstens hoch erhobenen Hauptes über sich ergehen lassen.«
Stanley erwiderte ihr Lächeln. »Ich hatte mich damals noch gefragt, warum die so sauteuer war.«
Dara war bis jetzt noch nie erster Klasse geflogen. Stanley genausowenig, wie sich herausstellte, und sie waren sich einig, dass sie es nach dieser Erfahrung schwierig finden würden, künftig wieder Economy zu fliegen. Da waren zunächst die Sitze, die viel breiter und weicher waren, mit jeder Menge Fußraum, auch wenn dieser bei ihnen irgendwie verschwendet war. Dara setzte sich, ohne es zu erwähnen, auf die Seite, auf der Stanley besser hörte, was bedeutete, dass er den Fensterplatz bekam. Was ihr wiederum ganz recht war. Dara wollte nicht daran erinnert werden, wie weit sie von der Erde entfernt war.
»Vergessen Sie nicht, es abzuschalten«, sagte Stanley, als Dara einen Blick auf ihr Handy warf. Keine verpassten Anrufe, keine SMS.
»Sie können ohnehin nichts tun, bis wir in Paris sind, selbst wenn Angel oder Ihre Mutter während des Flugs anrufen.« Stanley nahm ihr das Telefon aus der Hand und lächelte sie fragend an, den Daumen über der »Off«-Taste. Sie nickte, und er schaltete das Handy aus und gab es ihr zurück.
Dann kam das Frühstück.
»Darf ich Ihnen und Ihrem Freund ein Glas Champagner bringen?«, fragte die Stewardess lächelnd. Stanley las gerade
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