Wenn ich dich gefunden habe
geradezu erschreckender Schönheit boten.
Stanley lenkte sich ab, indem er mit etwas Küchenrolle das Blut auf dem Boden aufwischte
»Können wir sonst noch etwas für dich tun?«, fragte Sissy.
Stanley richtete sich auf und schob sich zwischen die beiden Frauen in seiner Küche. Er wusste, Sissy wollte ihn nur beschützen, aber sie schoss definitiv über das Ziel hinaus. Er ertrug es kaum mit anzusehen, wie Cora verlegen von einem Fuß auf den anderen trat und die Fransen ihres Schals befingerte.
»Magst du mit uns essen?«, fragte Stanley. »Es ist mehr als genug da.«
Cora schenkte ihm ein so strahlendes Lächeln, dass er blinzeln musste. »Was gibt es denn?«
»Würstchen mit Kartoffelbrei«, sagte Stanley. »Und Zuckerschoten.«
»Zuckerschoten?«, wiederholte Sissy enttäuscht.
»Sie werden dir schmecken, Sissy.«
»Versprochen?«
»Ja«, bekräftigte Stanley.
»Nein«, sagte Cora.
Sissy drehte sich zu ihr um. »Nein, sie werden mir nicht schmecken oder nein du bleibst nicht zum Essen?«
Cora tat, als hätte sie es nicht gehört. »Entschuldige, Stanley, ich würde gern bleiben, aber ich sollte das Baby abholen«, sagte sie. »Könnte ich vorher nur noch kurz … mit dir reden?«
»Natürlich.« Stanley konzentrierte sich darauf, kochendes Wasser in einen Topf zu gießen und es ziemlich stark zu würzen. Er hasste es, wenn ihm jemand beim Kochen zusah. Er war dabei lieber allein. Kochen entspannte ihn.
»Unter vier Augen meinte ich«, murmelte Cora mit einem Seitenblick zu Sissy.
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann sah Stanley zu seiner Mitbewohnerin. Diese nickte und ging zur Tür. »Ruf mich einfach, wenn du mich brauchst, Stanley«, sagte sie, doch die Worte waren eindeutig eine Warnung an Cora. Ein Schuss vor den Bug: Mach ja keine Faxen. Statt darauf einzugehen schloss Cora die Küchentür.
»Bier?« Stanley öffnete den Kühlschrank und entnahm ihm zwei kalte Flaschen Corona.
»Du weißt es noch.«
»Was?«
»Dass Corona mein Lieblingsbier ist. Hast du zufällig …«
Doch Stanley hatte bereits eine Limette geviertelt und eines der Stücke in den schmalen Flaschenhals gesteckt. Er hasste sich dafür, dass er sich an solche Details erinnerte. Warum konnte er nicht einfach so tun, als hätte er
es vergessen? Er setzte sich. »Worüber wolltest du mit mir reden?«
»Es ist etwas … delikat.« Cora begann am Etikett ihrer Bierflasche zu zupfen. Das hatte sie schon früher getan, wenn sie nach den richtigen Worten gesucht hatte.
»Ich … Na ja … Ich schätze, ich habe Zweifel. Bedenken. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich …« Sie hatte den Kopf gesenkt und spähte ihn durch ihre Stirnfransen an. Ihre grünen Augen leuchteten wie die einer Katze im Dunkeln.
»Warum erzählst du mir das?«, fragte Stanley, um einen neutralen Tonfall bemüht.
»Was?« Mit dieser Reaktion hatte sie offenbar nicht gerechnet.
»Du solltest das mit Cormac besprechen«, fuhr Stanley fort, ehe ihn die Entschlossenheit verlassen konnte. »Er ist der Vater deines Kindes. Dein … Verlobter. Rede mit ihm.«
Ihr bitteres Lachen traf ihn unvorbereitet. »Cormac? Du weißt doch, wie er ist. Der merkt doch gar nicht, dass ich ihn brauche, weil er so damit beschäftigt ist, Ganoven abzuknallen und mit seinen Kumpels Billard zu spielen.«
Stanley zwang sich aufzustehen, Distanz zu schaffen. Du schaffst das, sagte er sich. »Das ist unangebracht, Cora. Cormac ist mein Bruder, und …«
»Das hat ihn aber nicht sonderlich gestört, als ich noch mit dir zusammen war.«
Und da war sie, die schmerzliche Wahrheit. Die nässende Blessur, die zum Vorschein kam, wenn man den Schorf von der Wunde zupfte. Cormacs Gleichgültigkeit. Sie war es, die Stanley quälte, ihn nicht losließ.
Stanley zwang sich, wieder zu der Unterhaltung zurückzukehren.
Er hätte natürlich sagen können »Dich doch auch nicht, soweit ich mich erinnere«, aber er brachte es nicht über sich.
»Das ist vorbei«, sagte er leise.
»Fragst du dich je …«
»Was?«
»Wie es wohl gewesen wäre, wenn wir zusammengeblieben wären? Wenn wir zusammengezogen wären? Wenn wir ein Kind bekommen, vielleicht sogar geheiratet hätten …«
Stanley schüttelte den Kopf und ging zur Tür. Er war schon fast da, streckte die Hand nach dem Knauf aus.
Und da begann Cora zu weinen. Erst nur ganz leise, dann immer lauter, bis ihre Schluchzer sogar das aufgebrachte Summen der Dunstabzugshaube übertönten.
Stanley stand unschlüssig da und
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