Wenn ich dich gefunden habe
gewesen. Bevor alles anders wurde. Bruchstückhafte Erinnerungen geisterten ihr durch den Kopf, während sie auf einem harten Flughafenplastikstuhl saß und auf Stanley Flinter wartete.
Sie dachte daran, wie sie in der King’s Road nach Promis Ausschau gehalten hatten. Angel kannte sie alle. »Hey, ist das nicht Nick Bateman?«
»Wer?« Dara sah einem großen, dunkelhaarigen Mann nach, der schwer mit Einkaufstüten aus exklusiven Boutiquen beladen war.
»Na, du weißt schon, der Typ, der bei der ersten Staffel von Big Brother rausgeflogen ist, weil er gegen die Regeln verstoßen hat. Erinnerst du dich?«
»Nein.« Dara schüttelte den Kopf.
»Doch«, beharrte Angel. »Nasty Nick wurde er genannt.«
»Ach, ja«, sagte Dara. Der Name kam ihr tatsächlich bekannt vor. Komischerweise hatte Angel nie Big Brother geguckt. Sie hatte generell wenig ferngesehen, dafür war sie viel zu beschäftigt gewesen. Aber sie wusste solche Sachen trotzdem. Sie führte es auf Sublimation zurück. Freud könnte sicher erklären, was da in einem genau passiert.
Dara dachte daran, wie sie am Trafalgar Square vor den aufdringlichen Tauben geflüchtet waren und wie zwei Verrückte »Die Vögel, die Vögel!« gekreischt hatten.
Wie sie in einem schummrigen Club in Soho mit wildfremden Männern Salsa getanzt hatten und Angel ihr über die Schulter ihres Tanzpartners, eines großen, dunkelhaarigen Adonis, zugerufen hatte: »Bist du’s?«
Wie sie mit der U-Bahn die Stationen mit den lächerlichsten Namen abgeklappert hatten, um zu sehen, wie das Leben dort wohl sein mochte – Stationen wie Goodge Street und Dollis Hill, Blackfriars und Swiss Cottage.
Lauter alberne Kleinigkeiten eigentlich.
»Dara?« Dara hob den Kopf und blickte in das Gesicht von Stanley Flinter. Er beugte sich über sie. »Alles okay?«
Sie stand auf. »Ja, alles bestens.«
Stanleys Lächeln wirkte müde und angestrengt, als hätte er nicht gut geschlafen.
»Und wie geht’s Ihnen?«, erkundigte sich Dara. Sie musste den Kopf ein klein wenig senken, um ihm in die Augen sehen zu können. Sein Outfit wirkte, als wäre es sorgfältig zusammengestellt worden, wahrscheinlich, weil alle Teile farblich aufeinander abgestimmt waren: dunkelblaue Cordsamtjacke, dunkelblaues Hemd und schmal geschnittene Jeans, in denen seine Beine lang aussahen. Oder jedenfalls länger als sonst. Tintin hatte recht.
Stanley schien kurz zu überlegen, antwortete dann jedoch mit einem gelassenen »Gut«.
Er griff nach Daras Tasche und hob sie hoch.
»Ich nehm sie schon selber«, sagte Dara.
»Nein, nein, kein Problem. Sie ist nicht schwer.«
»Ich habe unsere Boardingpässe schon ausgedruckt, wir
können also gleich zum Gate gehen«, sagte Dara, und während sie zum wiederholten Male prüfte, ob besagte Boardingpässe, ihr Portemonnaie, ihr Pass und ihr Handy noch da waren, knurrte Stanleys Magen unüberhörbar, obwohl es um sie herum ziemlich laut war. »Haben Sie Hunger?«, fragte sie ihn.
»Ich brauche bloß einen Kaffee«, sagte Stanley. »Clouseau hat heute früh dem Wasserkocher den Garaus gemacht.« Er rieb sich mit einer Hand das Gesicht. Er sah tatsächlich aus, als würde er dringend einen Kaffee benötigen.
Dara sah auf die Uhr. »Wenn wir die Sicherheitskontrollen in unter vierzig Minuten hinter uns bringen, haben wir noch Zeit für einen Kaffee, und wenn Sie wollen sogar für ein Sandwich mit gebratenem Speck. Ich lade Sie ein.«
»Mit brauner Sauce?«
»Ohne braune Sauce schmeckt es doch gar nicht, oder?«
Sie schafften es tatsächlich in unter vierzig Minuten, wenn auch nur knapp. Die Metalldetektoren hatten gepiepst, wann immer Stanley durchgegangen war, selbst nachdem er sämtliche Taschen geleert hatte. Zum Vorschein gekommen waren dabei ein Schlüsselbund, an dem ein Schlüsselanhänger mit einem Foto von Clouseau hing, zwei angeknabberte Stifte, ein Memory Stick, ein Gutschein für einen Gratis-Fairtrade-Kaffee, der seit zwei Monaten abgelaufen war, wie Dara bemerkte, ein Fläschchen Nagellack von unappetitlich grüner Farbe (»Der gehört meiner Mitbewohnerin«, erklärte Stanley, obwohl ihn niemand danach gefragt hatte.), einen zerquetschten Coconut Snowball (»Mein Hund liebt die Dinger«, sagte Stanley zu der Frau vom Sicherheitsdienst, die nur gelangweilt nickte.) sowie eine lederne Hundeleine, die schon ziemlich zerfranst war, vermutlich dank Jacques Clouseau.
Da die Detektoren hartnäckig weiterpiepsten, wurde Stanley schließlich zu einer Kabine
Weitere Kostenlose Bücher