Wenn ich dich gefunden habe
kurzem noch gewesen. In ordentlichen, langen Reihen wuchsen dort Salat, Karotten, Steckrüben und Lauch, und daneben in einem kleinen Kräuterbeet Schnittlauch, Rosmarin und Petersilie, Minze, wilder Knoblauch und Basilikum. Dara trat näher und zupfte eines der Basilikumblätter ab, zerrieb es zwischen den Fingern und inhalierte den vertrauten, frischen Duft.
Dann überflog sie die Namen auf den Klingelschildern. Kein Gene Waters, kein Eugene Flood. Sie konsultierte ihren Computerausdruck. Nummer 124. Sie trat ein paar Schritte zurück, bis sie die Hausnummer sehen konnte, die über dem Oberlicht der Tür auf die Wand gemalt war. 124. Hier war sie richtig.
Die Tür schwang quietschend auf, als sie sie aufdrückte. Sie war einmal rot gestrichen gewesen, doch die Farbe war längst verblasst und blätterte in langen, schmalen Streifen ab. Im Korridor der Geruch nach feuchten Mänteln, zwei rostige, von Spinnweben überzogene Fahrräder und am Ende ein mit Prospekten übersäter Tisch. Auf den Flyern lauter Großbuchstaben und Ausrufezeichen: Pizzeria – NEUERÖFFNUNG!!! Indisches Restaurant mit BRAND-NEUER SPEISEKARTE!!! GRATISZUSTELLUNG!!! Eine Taxifirma versprach £ 1, – ERMÄSSIGUNG bei der nächsten Fahrt!!!, ein Waschsalon garantierte FLECKENLOS SAUBERE WÄSCHE!!!
Die breite Treppe zu ihrer Linken knarzte, als Dara einen Fuß auf die unterste Stufe stellte. Sie schrak zusammen, als das Geräusch durch den Korridor hallte und von den nackten Wänden abprallte, und ging wieder vor die Tür. Nach dem düsteren Korridor kam ihr selbst das trübe Tageslicht draußen hell vor. Sie setzte sich auf die Treppe vor dem Eingang und steckte sich eine Zigarette an.
65
Der Flug hatte Verspätung. Stanley stand mit seiner brandneuen Frisur am Flughafen Dublin und versuchte, sich nicht im Nacken zu kratzen, wo ihn ein paar Härchen kitzelten. Seine Hand wanderte nach oben, um sich über die Stirnfransen zu streichen. Ein müßiges Unterfangen, denn Mrs. Flood hatte ihr Versprechen gehalten und sich um das Problem gekümmert. An der Haarlänge hatte sich nicht viel geändert, obwohl sie ihn ordentlich geschoren hatte. Als Stanley hinterher seine Haare zusammengefegt hatte, war ein ganz schönes Häufchen entstanden.
»Jessesmariaundjosef, haben Sie viele Haare«, hatte sie gestöhnt und immer wieder mit der Zunge geschnalzt, während sie mit der Schere zugange gewesen war.
Er hatte sie nur mit Mühe davon abbringen können, ihn auch noch zu rasieren.
»Das soll wohl ein Designer-Dreitagebart sein, wie?«, hatte sie ihn mit hörbarer Skepsis gefragt.
Stanley hatte verneint und erklärt, er habe bloß keine Zeit gehabt, sich zu rasieren, worauf sie ihm einen von Daras Plastikrasierern brachte, weil sie ihn so stoppelbärtig partout nicht aus dem Haus lassen wollte. »Keine Sorge, soweit ich weiß, hat sie ihn bloß ein einziges Mal verwendet. Ich spüle ihn einfach mit heißem Wasser ab.«
Als er fertig war, trat sie einen Schritt zurück und betrachtete ihr Werk mit kritischem Blick. Stanley stand zwischen
dem mit Geschirr und Abfall und den Resten des Schokoladenkuchens übersäten Küchentisch und der Spüle, wo noch ein Shampooschaumberg über dem Abfluss knisterte, ein Überbleibsel der energischen Haarwäsche, die Mrs. Flood ihm hatte angedeihen lassen. Stanleys Kopfhaut kribbelte noch eine ganze Weile von ihrer kräftigen Massage, aber er musste zugeben, dass sie ihre Sache gut gemacht hatte. Selbst Sissy wäre angetan gewesen. Er sah älter aus. Wissender. Erfahrener. Er sah aus, als würde er clevere Bemerkungen von sich geben, sobald er den Mund aufmachte.
Dafür hatten seine Hände nichts mehr zu tun, nun, da seine störrischen Stirnfransen gebändigt waren. Er schob sie stattdessen in die Hosentaschen und befingerte mit der Linken den Zettel mit Mr. Floods Adresse, die Mrs. Flood für ihn ausgedruckt hatte. Er dachte an Dara.
»Sie bringen sie doch gleich zurück zu mir, wenn Sie sie gefunden haben, nicht wahr, Stanley?«, hatte Mrs. Flood gefleht, als er sich mit seiner neuen Frisur auf den Weg gemacht hatte.
»Nun, ich werde Sie anrufen, oder ich werde Dara auftragen, Sie anzurufen. Ich bin sicher, das tut sie ohnehin. Sie musste bloß während des Fluges das Handy ausschalten.«
Mrs. Flood schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst.«
Stanley legte ihr eine Hand auf die Schulter. Als Mrs. Flood vorhin seine Schläfen massiert hatte, war eine seltsame Bindung zwischen ihnen entstanden. So etwas war ihm
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