Wenn ich dich gefunden habe
gefunden haben? Sagen Sie mir, wann sie zurückkommt?«
Stanley gelobte es und sah auf seine Uhr. »Der nächste Flug geht in drei Stunden; das bedeutet, ich habe noch …«
»Zeit für einen Haarschnitt. Hervorragend.«
Mrs. Food erhob sich und steuerte auf eine große Tasche zu, die an der Wand lehnte und aus der einige Gerätschaften hervorlugten, die er von Sissy kannte, weil sie sie oft bei ihnen zu Hause herumliegen ließ, darunter Brennschere, Lockenstab, Glätteisen, elektrische Lockenwickler und eine lange, gefährlich aussehende Schere. Mit der Tasche in der Hand sah Mrs. Flood geradezu respekteinflößend aus. Stanley wich einen Schritt zurück.
»Ein Haarschnitt?«
»Na, so können Sie ja wohl kaum nach Manchester aufbrechen, nicht?« Sie betrachtete fasziniert Stanleys Stirnfransen. »So was ist mir ja noch nie untergekommen. Ich habe da etwas, das Abhilfe schaffen kann. Also, schieben Sie mal einen Stuhl zur Spüle … Genau, und jetzt setzen Sie sich, und lehnen Sie sich zurück. So ist’s recht. Und machen Sie nicht so ein besorgtes Gesicht, Sie sind in guten Händen.«
64
»Sind Sie sicher, dass es hier ist?«, fragte Dara, als das Taxi hielt. Sie spähte durch den schmutzig grauen Regenvorhang draußen vor dem Fenster und machte keine Anstalten auszusteigen.
»Ja, das ist es«, sagte der Fahrer, der Dara in mürrisch -monotonem Tonfall vollgelabert hatte, seit sie am Flughafen von Manchester eingestiegen war. In diesen zwanzig Minuten hatte er ihr seine Ansichten zu einer ganzen Reihe von Themen dargelegt, von Einwanderung (nichts gegen Ausländer an sich, aber …) über alleinerziehende Mütter (bestimmt liegen die nicht alle dem Wohlfahrtsstaat auf der Tasche) bis hin zum melancholisch grauen Wetter, das er als einen persönlichen Affront aufzufassen schien.
Dara hatte an den passenden Stellen genickt und zuweilen ein »Tatsächlich?« oder ein »Ja, ich weiß« von sich gegeben, und einmal auch ein »Das ist ja schrecklich«, nachdem er ihr eine lange, traurige Geschichte über einen bellenden Hund, eine schlaflose Nacht und eine Beschwerde beim Gemeinderat erzählt hatte, die mit dem Abtransport des Hundes am nächsten Morgen endete.
Die meiste Zeit jedoch hatte sie aus dem Fenster gestarrt. Draußen hatten graue Vorstadtstraßen den Großstadtrummel abgelöst. Passanten marschierten geschäftig wie Ameisen mit eingezogenen Köpfen über die regennassen Bürgersteige und kämpften mit ihren Schirmen.
Der Fahrer hüstelte. »Das macht dann dreizehn Pfund und fünfunddreißig Cent.«
»Ach, so, ja. Entschuldigung.« Dara holte das Portemonnaie aus der vorderen Tasche ihres Rucksacks.
»Darauf sollten Sie in dieser Gegend aber gut Acht geben«, riet er ihr. »So was nimmt man Ihnen hier ganz schnell ab.«
»Oh. Verstehe. Danke. Stimmt so.« Dara tappte nach dem Türgriff. Kaum war sie ausgestiegen, brauste das Taxi mit einem Affenzahn davon. Wie ein Fluchtauto nach einem missglückten Raubüberfall.
Die Straße musste früher einmal recht imposant gewirkt haben. Sie war lang und breit und auf beiden Seiten von Bäumen gesäumt, deren dicke Wurzeln unter Fahrbahn und Bürgersteig natürliche Bodenwellen hatten entstehen lassen. Dara bahnte sich vorsichtig einen Weg über die Sprünge im Asphalt und den herumliegenden Müll, halbleere Dosen und matschige, aufgeweichte Zeitungen. Jeder der schönen Altbauten aus rotem Backstein hatte einen großen Vorgarten, doch wie es schien, hatte man die Häuser inzwischen allesamt zu Wohnungen und Apartments umfunktioniert. Schäbige Stores schützten die Bewohner vor den Blicken neugieriger Passanten wie Dara Flood, die im Vorbeigehen alles genau betrachtete. An Haus Nummer 124 angekommen blieb sie stehen. Hinter dem einen Fenster stocherte ein Mann mit angewiderter Resignation in einem Topf, hinter einem anderen hingen Kleider zum Trocknen über Stuhllehnen. Eine Frau saß am Küchentisch und zählte Münzen aus ihrem Portemonnaie und formte daraus ordentliche Stapel. In einem der oberen Stockwerke krakeelte ein Säugling.
In den Ritzen des gepflasterten Wegs zur Haustür sprießte
Unkraut. Im verwilderten Vorgarten rechts und links davon wucherten Heckenrosen, Brennnesseln und Disteln; dazwischen leuchteten gelbe Löwenzahnblüten auf haarigen Stängeln.
Erst als Dara schon fast vor der Eingangstür stand, bemerkte sie den Küchengarten, den jemand seitlich des Hauses angelegt hatte. Er wirkte gepflegt oder war es zumindest bis vor
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