Wenn ich dich gefunden habe
deutete mit dem Kopf darauf. »Soll ich Ihnen eine Tasse Tee machen?«
»Eigentlich sollte ich Ihnen Tee machen«, sagte Mrs. Flood, ohne sich von der Stelle zu rühren. Sie sah erschöpft aus.
Stanley brühte zwei Tassen Tee auf. Es dauerte eine Weile, bis er die Milch lokalisiert hatte, denn der Kühlschrank war bis oben hin voll mit Köstlichkeiten – ein riesiger Topf Bœuf Stroganoff, eine Schokocremetorte, mehrere Schüsselchen mit etwas, das aussah wie Erdbeermousse sowie eine Rolle Blätterteig, bei der Stanley unwillkürlich an Vol-au-Vents denken musste.
»Hat Dara die gemacht?«, fragte er und stellte die Milch und die Torte auf den Tisch, weil er den Eindruck hatte, dass Mrs. Flood etwas Süßes vertragen konnte.
»Ja, hat sie. Und alles andere auch. Unsere Küchenfee.« Mrs. Flood nahm das große Stück Torte, das ihr Stanley reichte, nur unter Protest an, aß es dann aber doch bis auf den letzten Krümel auf. »Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich Hunger hatte«, sagte sie hinterher und leckte sich die köstliche Schokosauce von den Fingern.
»Wissen Sie, wann Dara wiederkommt?«, fragte Stanley.
Mrs. Flood nahm wortlos den Zettel zur Hand, der zusammengeknüllt zwischen ihnen auf dem Tisch lag.
»Wo ist sie überhaupt?«
»In Manchester.« Mrs. Flood schüttelte bedächtig den
Kopf. »Sie hat heute Früh einen Anruf bekommen, von Slither Smith. Soweit ich weiß, hatten Sie bereits das Vergnügen?«
Stanley nickte.
»Er hat ihr eine Adresse in Manchester genannt. Angeblich wohnt dort ihr Vater. Mr. Flood.«
»Sind Sie sicher, dass …? Ist sie allein unterwegs?«
Mrs. Flood nickte. »Als hätte ich nicht schon genug Sorgen.« Es klang verbittert. »Ich hab versucht, sie anzurufen, aber sie geht nicht ans Telefon. Sie hat nicht einmal erwähnt, wann sie zurückkommt.« Sie reichte Stanley den Zettel.
Libe Mam, ich wollte dich nicht weken. Slither Smith hat vorhin angerufen. Er hat mir eine Adresse in Manchestir gegeben. Er ist zimlich sicher, dass ich Mr. Flood dort finde. Ich bin so bald wie möglich wieder da. Bitte mach dir meinetwegen keine Sorgen. Und erzähl es Angel nicht – noch nicht jedenfalls. Ich will nicht, dass sie sich wieder umsonst Hoffnungen macht.
In Liebe, Dara xxxx
Stanley faltete den Zettel zusammen, immer weiter, bis er so groß war wie eine Streichholzschachtel. Er stellte sich vor, wie Dara allein im Flugzeug saß und bei der Landung die Armlehnen umklammerte, so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Er hätte sich ihre Erklärung anhören sollen, damals im Park. Oder sie zurückrufen sollen.
»Wie soll ich mir da keine Sorgen machen?«, fragte Mrs. Flood und genehmigte sich ein zweites Stück Torte, was
Stanley gut verstehen konnte. Es war zweifellos die beste Schokoladentorte, die er je gegessen hatte.
»Ich fliege nach Manchester«, sagte er entschlossen und stand so plötzlich auf, dass sein Stuhl nach hinten kippte.
Mrs. Flood schrak zusammen, als er klappernd auf dem Boden landete. Stanley hob ihn auf. »Verzeihung.«
»Denken Sie sich nichts, ich bin das reinste Nervenbündel. Erst das mit Angel, und jetzt auch noch Dara … Sie ist nicht in der Verfassung, irgendwo hinzufahren. Sie macht sich solche Sorgen wegen Angel. Sie hat sogar Schlafstörungen. Wobei sie die eigentlich schon immer hatte.« Mrs. Flood rieb sich das Gesicht. »Ich war zu streng mit ihr. Und jetzt ist sie ganz allein nach Manchester aufgebrochen, dabei hätte ich fahren sollen. Schließlich hat er nicht sie sitzenlassen, sondern mich«, murmelte sie abwesend. »Ich habe zwar immer behauptet, er hätte uns alle verlassen, aber Dara hat er im Grunde genommen nicht verlassen. Er hat sie ja nie gesehen. Vielleicht wäre sonst alles anders gekommen. Sie sah ihm von Geburt an zum Verwechseln ähnlich, und das tut sie heute noch.« Mrs. Flood hielt den Kopf gesenkt, aber Stanley sah Tränen in ihren Augen glitzern.
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, und sie hob den Blick. »Dara hatte recht. Sie haben gütige Augen.«
»Das hat Dara gesagt?«
»Ja. Und sie hat gesagt, dass man Ihnen vertrauen kann. Ich wollte ihr nicht glauben, aber allmählich komme ich zu dem Schluss, dass sie doch richtiglag.«
Stanley spürte Hoffnung in sich aufsteigen. Er fischte sein iPhone aus der Tasche.
Mrs. Flood wischte sich mit dem Ärmel die Augen trocken. »Was haben Sie vor?«
»Ich buche einen Flug nach Manchester.«
»Rufen Sie mich an, wenn Sie dort sind? Wenn Sie sie
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