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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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ab.
    »Sie halten mich bestimmt für ziemlich töricht«, schniefte die Frau schließlich.
    »Ganz und gar nicht«, versicherte ihr Stanley. »Ich halte Sie für eine Frau, die ihren Ehemann sehr liebt.«
    »Oh, das tue ich«, lamentierte sie. »Er schreibt Gedichte, müssen Sie wissen.«
    »Ach, ja?«
    »Ja. Sie sind sehr tiefsinnig. Sie reimen sich nicht einmal. Keine leichte Kost«, erklärte sie mit einem Anflug von Stolz.
    »Hat er schon welche veröffentlicht?«
    »Gott, nein. Er würde seine Dichtkunst niemals vergiften, indem er sie dem Kommerz aussetzt.«
    »Was macht Ihr Mann denn beruflich?«
    »Er ist Banker. Im IFSC.«
    »Oh.« So viel zum Thema Kommerz, dachte Stanley. »Und wie kann ich Ihnen nun helfen?«
    »Ich möchte, dass Sie ihn beschatten«, flüsterte die Frau. Abgesehen von dem Kummer, den ihr Mann ihr mit seiner  – vermeintlichen oder tatsächlichen – Affäre bescherte, schien sie die ganze Geheimniskrämerei durchaus zu genießen. Das hatte Stanley schon öfter erlebt.
    »Eine Beschattung kann ziemlich teuer werden«, warnte er die Anruferin, wie er es immer tat.
    »Geld ist kein Problem.« Kein Wunder, wenn ihr Mann Banker beim IFSC war.
    »Ich möchte trotzdem, dass Sie noch einmal gründlich darüber nachdenken.« Auch das sagte er immer zu den Frauen, die ihn am Freitagabend anriefen, sobald sie ein bisschen zu viel Chardonnay intus hatten.
    »Nein. Ich will nicht mehr darüber nachdenken. Ich will endlich Gewissheit. Diese Zweifel machen mich noch wahnsinnig. Ich habe sogar schon einen Ausschlag deswegen.«
    »Einen Ausschlag?«
    »Ja, auf den Oberschenkeln. Nesselsucht. Bekomme ich immer, wenn ich gestresst bin.«
    »Rufen Sie mich nächsten Freitag an«, beharrte Stanley. »Am besten vormittags, wenn es geht. Wenn Sie Ihren Mann dann immer noch beschatten lassen wollen, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen zu helfen. Versprochen.«
    Die Frau stieß einen langgezogenen, melancholischen Seufzer hervor. »Sie klingen, als wären Sie ein äußerst sympathischer junger Mann.« Sie zog die Nase hoch.
    »Äh, danke.«
    »Ich hoffe, Ihre Freundin weiß, was Sie an Ihnen hat.«
    »Ich … ich habe ehrlich gesagt gar keine Freundin.«
    »Waren Sie etwa noch nie verliebt?«, erkundigte sich die Frau schockiert.
    »Nun, ich …«
    »Also doch!«, quiekte sie. »Sie waren verliebt, und sie hat Ihnen das Herz gebrochen, stimmt’s? Ich hör’s Ihnen an der Stimme an, Sie Ärmster.«
    Vielleicht lag es an dem Mitgefühl, das in ihren Worten mitschwang und so aufrichtig wirkte wie ein handgeschriebener Liebesbrief, vielleicht aber auch an der Tatsache, dass Stanley noch nie mit jemandem über sein gebrochenes Herz geredet hatte, jedenfalls nickte er plötzlich und sagte: »Ja, Sie haben recht.«
    »Ich habe fast immer recht, wenn es um Herzensangelegenheiten geht, mein Lieber«, erwiderte sie selbstgefällig. »Was ist passiert?«
    Also begann Stanley zu erzählen. Was hatte er schon zu verlieren? Er würde vermutlich nie wieder von ihr hören, und es war eine richtige Erleichterung, sich seinen Kummer
von der Seele zu reden. Das tat er nämlich nicht allzu oft. »Es war mein Bruder«, sagte er. »Mein ältester Bruder.«
    »Was meinen Sie?«
    »Cormac. So heißt er. Er …«
    »Oh Gott, nein! Er hat doch nicht etwa …«
    »Doch, er hat«, sagte Stanley leise.
    »Tja, mein Lieber, Sie können froh sein, dass Sie dieses Flittchen los sind«, stellte sie entschieden fest. »Eine anständige Frau respektiert die Beziehung zwischen Brüdern. Aber Blutsbande kann niemand zerstören. Das mit Cormac renkt sich irgendwann wieder ein. Aber sie! Sie ist ein durchtriebenes Miststück!« Die Frau war schon ganz außer Atem, doch setzte ihre Tirade unbeirrt fort: »Verschwenden Sie bloß keine Sekunde Ihrer Zeit mehr an diese Frau! Sie ist es nicht wert, glauben Sie mir!«
    Stanley versuchte, etwas zu sagen, kam aber nicht zu Wort.
    »Und eines kann ich Ihnen versprechen. Sie werden sich wieder verlieben, und diesmal wird alles ganz anders. Ich glaube sogar …« Sie legte eine kleine Pause ein, als würde sie einen Blick in eine Kristallkugel werfen. »Ich glaube sogar, dass es schon recht bald so weit ist. Womöglich haben sich Ihre Wege bereits gekreuzt.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, platzte Stanley heraus, statt ihre Prophezeiung als abstrus und lächerlich abzutun.
    »Man sagt mir diesbezüglich gewisse Fähigkeiten nach. Ich spüre so etwas einfach. Genau wie ich bei

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