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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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Welt.« Es klang, als wollte sie Dara eine Unterlassung oder gedankenloses Verhalten unterstellen.
    Mrs. Flood presste den Rücken an die Stuhllehne, dann griff sie nach ihrem Bier und leerte es mit einem Zug. Dara schnappte es sich dankbar und sprang auf. »Ich hol dir ein neues.«
    »Nein. Ich will nach Hause.« Mrs. Flood streckte den Arm nach ihrer Handtasche aus.
    »Nein«, sagte Dara. Zuweilen kam es vor, dass sie zu ihrer Mutter genau das Gegenteil von dem sagte, was sie meinte. Sie wollte auch nach Hause, wo sie sich wieder Sorgen um Angel machen konnten. Angel war das Einzige, das sie verband. Das Einzige, das sie gemeinsam hatten. Wenn es um Angel ging, waren sie sich meistens einig. Doch das sagte sie nicht. Sie sagte nur: »Lass uns noch etwas bleiben. Es ist noch früh, und Charlie ist mit Mrs. Moran beschäftigt. Wir könnten ja jetzt tanzen, falls es deinen Knöcheln besser geht. Wenn du willst, bin ich dein Tanzpartner.«
    »Du bist zu klein. Ich müsste der Mann sein, und ich hasse es, der Mann zu sein.«
    »Ich könnte auch der Mann sein«, beharrte Dara. »Ein kleiner Mann eben.«
    »Ich hasse kleine Männer. Die haben alle einen Komplex.«
    Dara dachte an Stanley Flinter. Er war klein, aber bis jetzt hatte sie keinen Komplex an ihm entdecken können.
    »Wenn Angel hier wäre, könnte ich mit ihr tanzen. Sie würde von der Größe her genau passen«, fuhr Mrs. Flood fort.
    Dara beschloss, einen allerletzten Versuch zu starten, ehe sie aufgab.
    »Wenn du nicht sofort mitkommst, gehe ich rüber zu Charlie-nenn-mich-Charles und sage ihm, dass du nachts nicht schlafen kannst, weil du immerzu an ihn denken musst …«
    »Also gut, meinetwegen«, brummte Mrs. Flood und bückte sich nach ihrer Handtasche.
    »Und an seine muskulösen Oberschenkel und an sein langes …«
    »Ja, ja, schon gut, ich komme.«
    »… Haar und an seinen verführerischen Komm-inmein-Wasserbett-Blick und …«
    »ICH KOMM JA SCHON!«, brüllte Mrs. Flood. Dummerweise war in diesem Augenblick der Song zu Ende, und es folgte ein sanftes, leises Schmusestück. Alle anwesenden fuhren herum und starrten Dara und ihre Mutter an – auch Charlie-nenn-mich-Charles, der mit seinen alles andere als selbstlosen Beileidsbekundungen bei Mrs. Moran abgeblitzt war. Sogleich erhellte sich seine frustrierte Miene wieder.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, knurrte Mrs. Flood, als sie sah, wie er sich mit hoffnungsvollem Blick einen Weg
durch die Menge in ihre Richtung bahnte. Dara packte ihre Mutter am Ellbogen und dirigierte sie hastig zur Bar, wo Miguel die Thekenklappe öffnete und sie durch den Lagerraum zum Notausgang geleitete. Gleich darauf fanden sie sich in einem schmalen Gässchen wieder, in dem überall Bierkisten und Fässer standen, und dazwischen lehnte ein Liebespaar an der Wand, das »schon auf dem nächsthöheren Level tanzte«, wie Tintin es ausdrücken würde. Tintin begleitete sie nur selten zum Salsatanzen, weil es ihn zu sehr antörnte, wie er offen zugab.
    Dara und ihre Mutter bogen wortlos um die Ecke und machten sich auf den Nachhauseweg.



18
    Etwa um dieselbe Zeit erhielt Stanley Flinter mal wieder einen Anruf. Eine Frau war am Telefon, und sie weinte, weshalb er kein Wort verstehen konnte.
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit«, sagte er und schaltete den Fernseher aus. Er hatte sich gerade Erbarmungslos angesehen. Aus dem Hörer ertönte ein lautes Geräusch, dem Tröten einer verstimmten Trompete nicht unähnlich. Nachdem sich die Anruferin geschnäuzt und wieder etwas gefasst hatte, vernahm Stanley das leise Klirren von Glas auf Glas und ein unstetes Plätschern. Bestimmt trank sie Wein, wie die meisten Frauen, die ihn um diese Zeit anriefen. Sie schlürfte, schluckte, stieß einen langen, zittrigen Seufzer hervor. Dann herrschte Stille.
    »Na, geht’s wieder?«, fragte Stanley vorsichtig.
    »Sie klingen so nett«, sagte die Frau, und Stanley konnte förmlich hören, wie ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen.
    »Worüber wollten Sie denn mit mir reden?«, fragte er hastig, um einen neuerlichen Weinkrampf gleich im Keim zu ersticken. Er bemühte sich um einen eher professionellen als mitfühlenden Tonfall, weil ihn die Erfahrung gelehrt hatte, dass die Frauen, die ihn üblicherweise am Freitagabend anriefen, nachdem sie etwas zu tief ins Glas geschaut hatten, dann weniger emotional reagierten.
    »Es geht um meinen Mann«, konnte die Anruferin
gerade noch flüstern, ehe ihr die Stimme versagte und sie ein

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