Wenn ich dich gefunden habe
verschleimt klingenden Stakkatohusten unterbrochen. Der Gute brauchte dringend ein starkes Antibiotikum, dachte Stanley.
»Haben Sie noch mit ihm Kontakt?«, fragte er, darum bemüht, kein bisschen optimistisch zu klingen.
»Hab ihn seit Jahren nicht gesehen«, erwiderte Slither, und Stanley spürte, dass er das Gespräch gleich beenden würde, um sich wieder in Ruhe seinem Drink widmen zu können.
»Freitag. Wir machen es kurz. Nur ein paar Minuten.«
Schweigen, ein gutes Stück länger als ein Schweigen am Telefon normalerweise dauerte. Stanley wartete.
Dann ein tiefer Seufzer. »Also gut. Wir können uns hier im Pub treffen, da hab ich’s nicht weit von der Arbeit.« Slither erwähnte nicht, dass seine Arbeit darin bestand, im Wettbüro nebenan ( Wetten, dass? hieß es) mit seiner ungewöhnlich ordentlichen Handschrift Wettscheine auszufüllen und diese durch das Gitter zu reichen, hinter dem Packie, der Leiter des Wettbüros saß.
»Großartig. Hervorragend. Fantastisch. Dann also bis
Freitag«, sagte Stanley. Jetzt hieß es auflegen, ehe Slither es sich anders überlegte.
»Reden macht aber ganz schön durstig«, bemerkte Slither.
»Wir laden Sie gern auf einen Drink ein.«
»Einen?«
»Oder mehrere. Und auf ein Mittagessen, wenn Sie wollen.«
»Ich esse mittags nie was. Eine schöne dunkle Flüssigmahlzeit enthält genügend Nährstoffe.«
Kein Smithwick’s also, sondern Guinness, dachte Stanley. Nun, farblich war er nah dran gewesen.
Dass die Versicherung von seinen Fotos von Tommo Traynor sehr beeindruckt gewesen war und ihm gleich einen Folgeauftrag erteilt hatte, konnte seine Laune auch nicht heben. Diesmal sollte er Tommos aktuelle Göttergattin Theresa »Tinnef« Traynor beschatten, die den örtlichen Supermarkt verklagt hatte, weil sie im Gang mit den Hygieneartikeln auf einer Bananenschale ausgerutscht war. Dass sie die Schale höchstpersönlich auf den Boden geworfen hatte, nachdem ihr Sprössling den Inhalt auf dem Griff des Einkaufswagens verteilt hatte, ging aus ihrer Klagebegründung nicht hervor.
Stanley fand die Vorstellung, sich noch einmal in dem Wäldchen hinter dem riesigen, abgelegenen Klotz auf die Lauer zu legen, in dem das Ehepaar Traynor wohnte, nicht gerade verlockend. Die blauen Flecken, die er bei seinem letzten Aufenthalt dort davongetragen hatte, klangen gerade erst ab und spiegelten sämtliche Farben von erbsengrün bis senfgelb.
Aber es war ein Auftrag, und bei den Unsummen, die er an Büromiete bezahlte (wobei er das Preis-Leistungs-Verhältnis
alles andere als fair fand), konnte er es sich nicht erlauben abzulehnen. Außerdem war er auf diese Weise beschäftigt und konnte sich nicht so viele Gedanken über die bevorstehende Verlobungsparty machen. Theoretisch jedenfalls.
25
Als Stanley Dara anrief, um einen Treffpunkt für Freitagmorgen zu vereinbaren, bat Dara ihn, sie vor dem Hundeasyl abzuholen.
»Ich dachte, Sie wollten sich frei nehmen?«, sagte er.
»Ich hab mir frei genommen, aber Lucky …«
»Lucky?«
»Das ist einer unserer Hunde. Ein Neuzugang und noch etwas … unberechenbar.«
Tatsache war: Lucky ließ sich nur von Dara füttern, obwohl ihre erste Begegnung so unglücklich verlaufen war. Tintin und Anya durften ihn nicht einmal ansehen. Dara kam es so vor, als wollte er auf diese Weise Abbitte leisten. Anya und Tintin waren da nicht so sicher.
Anya setzte alle Hebel in Bewegung. Sie rief sämtliche Tierheime im ganzen Land an, dann wartete sie ab. Sie hegte keine großen Hoffnungen. Zugegeben, das tat sie selten, aber Dara befürchtete, dass sie diesmal richtigliegen könnte. Lucky war alt und in einem miserablen körperlichen Zustand, er hatte ein aggressives Verhalten an den Tag gelegt und machte die anderen Hunde nervös, weil er sich gegen die Gitterstäbe seines Käfigs warf, wann immer einer von ihnen auch nur kurz den Kopf in seine Richtung drehte.
Dara erlebte es immer wieder, dass einer ihrer Schützlinge eingeschläfert wurde, und sie wusste, dass Anya und
Tintin recht hatten – sie konnten nicht alle Hunde retten. Aber bei Lucky war es etwas anderes. Vielleicht, weil seine Lage von vornherein so völlig hoffnungslos gewesen war. Oder weil er so zusammengestoppelt wirkte, dass man ganz unwillkürlich ein zweites Mal hinsah. Oder weil er Dara einen Tag nach dem Vorfall mit seinen verschiedenfarbigen Augen – das eine grün, das andere braun – fixiert hatte, als wollte er sagen: »Äh, tut mir echt leid, altes Mädchen.
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