Wenn ich dich gefunden habe
Ein dummes Missverständnis. Wird nicht wieder vorkommen, versprochen.« Vielleicht lag es auch an seinem Namen. Lucky. Dieser ungebrochene Optimismus, mit dem Anya allerdings nicht zu beeindrucken war. Sie schüttelte nur bedächtig den Kopf, wenn sie wieder eine Absage von einem Tierheim erhalten hatte.
Dara redete mit Lucky, während sie ihn mit ein paar Scheiben Schinken fütterte, von denen sie den Fettrand abgezupft hatte. »Wir finden schon noch dein Zuhause«, flüsterte sie und zog an seinen Ohren. Ihre Worte überraschten sie selbst. Sie weckte Hoffnungen. Erwartungen. Da waren doch Enttäuschung und Verunsicherung quasi vorprogrammiert, genau wie der letztendlich unvermeidbare Verfall.
Lucky wedelte enthusiastisch mit dem Stummelschwänzchen. Er wirkte verletzlich und resigniert, als würde er das Beste hoffen, aber das Schlimmste erwarten. Er erinnerte sie irgendwie an sich selbst.
»Guten Morgen. Ich bin mit Dara Flood verabredet.« Das war Stanley Flinters zögernde Stimme.
»Warrum?« Anya war nicht unhöflich, nur von Natur aus misstrauisch.
Dara versicherte sich, dass der Käfig abgeschlossen war, ehe sie den Raum so leise wie möglich verließ, denn Lucky
zuckte zusammen und duckte sich, wann immer jemand eine plötzliche Bewegung oder ein Geräusch machte. Dara versuchte, sich die Gründe dafür nicht auszumalen.
»Ich soll sie hier abholen«, erklärte Stanley.
»Ah, Sie müssen sein Privatdätektiv.«
»Äh, ja.«
»Sie sind klein, wie Dara gäsagt hat.«
Ein gezwungenes Lachen. »Tja, da hat sie recht.«
»Anya!«, rief Tintin empört. »Er mag vielleicht klein sein, aber er ist perfekt proportioniert.« Dara hastete los.
»Äh, danke«, sagte Stanley verlegen. Kein Wunder, bei Tintins prüfendem Blick.
»Kein Trenchcoat also?«, fragte Tintin enttäuscht. Dara legte einen Zahn zu.
»Es ist zu warm für einen Trenchcoat, nicht?«
»Schon möglich.« Tintin klang wie ein Vierjähriger auf dem Spielplatz, dem man gesagt hat, es sei Zeit, nach Hause zu gehen.
»Hallo, Stanley«, keuchte Dara. »Tut mir leid, ich …«
»Kein Problem, Dara. Ich bin etwas zu früh dran.«
»Anya haben Sie ja schon kennengelernt …« Dara warf Anya einen warnenden Blick zu, damit diese gar nicht erst auf die Idee kam, die Ähnlichkeit zwischen Stanley und seinem Hund zu erwähnen.
Stanley nickte lächelnd.
Anya schüttelte ihm kurz die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernän. Ich habe noch nie Privatdätektiv kennengelernt. Aber mir sind schon einige gäfolgt.« Ratloses Schweigen.
»Und das ist Tintin.« Dara hob eine Augenbraue, um ihrem Kollegen zu signalisieren, er solle sich normal benehmen.
»Tintin ist hocherfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Tintin in einem Tonfall, der fast schon kokett wirkte. Selbst Anya flirtete mit Stanley – Dara merkte es an der Art, wie sie ihm Kaffee anbot (»Ist alt und kalt, aber nähmen Sie sich gärn eine Tasse. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, eine zu waschen.«) und daran, dass sie nicht mit »Das gäht Sie gar nichts an« reagierte, als sich Stanley erkundigte, aus welcher Gegend in Polen sie stammte.
Stanley hielt Dara die Beifahrertür auf und wartete, bis sie eingestiegen war, was eine Weile dauerte, weil Clouseau darauf bestand, sie überschwänglich zu begrüßen.
Nachdem sie sich das Gesicht abgetrocknet hatte, sah sich Dara in Stanleys Transporter um, der recht sauber wirkte, mal abgesehen von der Tatsache, dass er voller Hundehaare war und auch nach Clouseau roch – eine seltsame Mischung aus feuchtem Teppich und Hundefutteratem.
Stanley ließ sich neben ihr nieder, schnallte sich an, warf einen Blick in den Rückspiegel und die Seitenspiegel, dann drehte er sich um und spähte nach hinten in den toten Winkel. Da der Transporter mit einem Automatikgetriebe ausgestattet war, musste er beim Fahren nicht ständig schalten und konnte beide Hände auf dem Lenkrad lassen. Genau das tat er auch, und zwar in der korrekten Viertelvor-drei-Stellung. Dara unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung und lehnte sich beruhigt zurück.
»Alles in Ordnung?«, fragte Stanley, ohne den Blick von der Straße abzuwenden – noch etwas, das sie sehr beruhigend fand.
»Ja. Alles bestens. Ich … ich bin eine ziemlich ängstliche Beifahrerin.«
»Keine Sorge, ich halte mich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen.«
»Das wollte ich damit nicht … Ich meine, Sie machen den Eindruck, als wären Sie ein guter Fahrer. Ich habe jedenfalls nicht so viel
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