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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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nur darauf warten, dass etwas geschah,
damit man endlich das fehlende Sterbedatum eintragen konnte.
    Ausgerechnet jetzt gab die Heizung, die in den vergangenen Wochen immer wieder bedrohliche Geräusche von sich gegeben hatte, endgültig den Geist auf und blies Stanley nur noch eiskalte Luft ins Gesicht, sodass er im Nu eine rote Nase und eiskalte Finger hatte.
    Clouseau, der kein großer Fan von Kälte war, heulte so lange auf dem Rücksitz, bis sich Dara kurz vor Kells zu ihm gesellte und eine ganze Packung Bourbon Creams Doppelkekse an ihn verfütterte.
    Die Enttäuschung hing über ihnen wie eine dicke graue Wolkendecke, und bald wurde der Regen in heftigen Böen gegen die Windschutzscheibe gepeitscht, sodass man zuweilen die Straße kaum noch ausmachen konnte. Stanley war richtig erleichtert, als sich Dara nach hinten setzte. Die Reserviertheit, die sie auf dem Hinweg abgestreift hatte, war zurückgekehrt, und mit ihr auch die Ängstlichkeit. Sobald er schneller als mit sechzig Stundenkilometern geradeaus gefahren war, hatte sie sich panisch am Armaturenbrett festgehalten, sodass ihre Fingerknöchel schneeweiß hervorgetreten waren. Mit dem Überholen hatte er schon in Moynalty aufgehört.
    Und dann wurden sie kurz hinter Navan auch noch von einem übereifrigen Polizisten angehalten, dem zur Erfüllung seines Wochenpensums offenbar noch ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung fehlte. Stanley war ganze sieben Stundenkilometer zu schnell gefahren.
    »Stanley Flinter«, las der Polizist, als ihm Stanley seinen Führerschein reichte. »Sind sie zufällig mit Cormac Flinter verwandt?«
    »Wir sind Brüder«, antwortete Stanley und versuchte,
seine tiefgekühlten Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln zu bewegen.
    »Und … wie heißen die anderen noch gleich – Declan, Lorcan, Neal und Adrian, richtig?«
    »Genau.«
    Der Polizist strahlte. »Sie sind also der, der nicht bei der Polizei ist. Sie sind taub, stimmt’s? Das mit dem Lippenlesen haben Sie aber echt gut raus, Mann. Respekt!«
    »Ich muss gar nicht Lippenlesen. Ich bin nur auf einem Ohr taub, und auch das nur teilweise«, erklärte Stanley.
    »Und, sind Sie auch auf einem Auge blind?«, fragte der Polizist. Er steckte den Kopf in den Transporter und zwinkerte Dara zu.
    »Äh, nein, bin ich nicht«, sagte Stanley.
    »Sie waren nämlich mit siebenundfünfzig Stundenkilometern in einer Fünfzigerzone unterwegs«, fuhr der Polizist in deutlich amtlicherem Tonfall fort.
    »Oh. Ich dachte …«
    »Ich weiß, was Sie dachten.« Der Polizist befeuchtete seinen Daumen und begann in einem Notizblock zu blättern, den er seiner Brusttasche entnommen hatte. »Sie dachten, als Angehöriger der Flinter-Dynastie müssten Sie’s mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, hm?« Er kritzelte eifrig etwas auf seinen Block.
    »Nein, ganz und gar nicht …«
    Der Polizist ließ den Block sinken und zwinkerte Dara – oder Clouseau, das war nicht genau zu erkennen – erneut zu, dann drehte er sich wieder zu Stanley um und grinste.
    »Kleiner Scherz.« Er prustete los und fuchtelte mit seinem Stift in der Luft herum. »Wenn ich das meinen Kollegen erzähle! Sie sollten mal Ihr Gesicht sehen! Zum Piepen!«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Mann wieder
gefasst hatte. Er lachte dröhnend und klatschte sich mit den Händen auf die Oberschenkel, und erst, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und sich mit dem Jackenärmel die Lachtränen von den Wangen wischte, fiel ihm auf, dass er der Einzige war, der die Situation derart erheiternd fand. Stanley konnte sich immerhin mit einiger Mühe ein Lächeln abringen.
    Dann war der Polizist plötzlich wieder bierernst. »Ich könnte Ihnen ohne weiteres einen Strafzettel verpassen, Stanley, aber …«, er legte eine Kunstpause ein – »wenn ich das tue, sorgt Ihr Bruder garantiert dafür, dass ich nach Limerick versetzt werde.« Damit war wohl Cormac gemeint. Der Polizist spähte zu Dara hinein, tippte sich an die Mütze und boxte Stanley einmal kräftig in den Oberarm. Dem Schmerz zum Trotz ging Stanley davon aus, dass es eine freundschaftliche Geste sein sollte.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie auf einem Ohr taub sind«, sagte Dara, als sie weiterfuhren. Sie sprach lauter als vorher, wie alle Leute, wenn sie davon erfuhren.
    »Nur teilweise«, erinnerte Stanley sie.
    »Sind Sie deshalb als Einziger in ihrer Familie nicht bei der Polizei?«
    Er nickte. »Bis zum Hörtest war mir nicht klar, dass mit meinen

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