Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
sahen, dass Hannah schon schlief, zogen sie wieder ab.«
Wieder stellten sich bei Anya sämtliche Nackenhaare auf.
»Brett, ich bin überzeugt, Sie möchten das ebenso sehr aufklären wie Hannah.«
Er nickte langsam.
»Hannah kann sich an die Hochzeitsnacht nicht erinnern. Das wäre verständlich, falls ihr jemand etwas in den Wein getan hat. Falls ihr an diesem Abend eine Droge verabreicht wurde, ließe sich mit einer Haarprobe sogar der genaue Zeitpunkt ermitteln. Wenn sie die Infektionen nicht von Ihnen hat, hat sie sie von einem anderen. Ich glaube, Sie wissen mehr, als Sie zugeben, und ich frage mich, ob es Zeit wird, die Polizei einzuschalten.«
»Das soll doch wohl ein blöder Scherz sein? Sie können die Polizei nicht rufen!«
Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, und er sackte auf der Couch in sich zusammen.
Anya wartete ab, und das Schweigen nahm ihn in die Mangel wie ein Schraubstock.
Brett Dengates Blick huschte von der Tür zum Fenster, als suche er nach einem Fluchtweg. Dann barg er das Gesicht in den Händen.
»Scheiße! Das war so alles nicht geplant. Es war abgesprochen, dass sie Gummis nehmen.«
2
»Sie dürfen nichts weitererzählen, wegen der ärztlichen Schweigepflicht.« Brett Dengate kaute auf einem Fingernagel. »Ich kenne meine Rechte.«
Anya konnte kaum glauben, was sie da hörte. Brett Dengate spielte seit über zehn Jahren für seine Footballmannschaft und betrachtete die Mitspieler als seine Familie. Sie trainierten zusammen, gingen gemeinsam aus und sammelten Spenden für wohltätige Zwecke. Das Problem war nur, diese Männer teilten auch das, was ihnen das Allerteuerste sein sollte – ihre Partnerinnen. Anscheinend hatten »die Jungs« ein Initiationsritual, wann immer einer von ihnen eine neue Freundin hatte.
Zum ersten Mal war es vor fünf oder sechs Jahren dazu gekommen.
»Lurch, der ist wie ein Bruder für mich, der hat mir den Arsch gerettet, als ich wegen Raserei eigentlich den Lappen hätte abgeben müssen. So ein Kumpel ist das.«
Einer, der vor Gericht oder in einer eidesstattlichen Erklärung log, dachte Anya. Gesetze waren offenbar nur dazu da, gebrochen oder umgangen zu werden.
»Und ich nehme an, dasselbe würden Sie für ihn tun.«
Brett hielt kurz inne, aber ihm war entweder gar nicht klar, worauf die Bemerkung abzielte, oder er ignorierte es einfach.
»Egal, jedenfalls sind wir zum Feiern zu ihm gegangen, als wir die Meisterschaft gewonnen hatten – das war unsere vierte. Er hatte ein paar Fass Bier da, haufenweise Fressalien, und es war ein super Abend. Seine neue Freundin kam auch vorbei, und sie hat ordentlich gebechert und mit ein paar von uns getanzt. Wir hatten alle mächtig was intus und waren schwer am Feiern, als Lurch im Schlafzimmer verschwand, mit dieser … «, er versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. »Na ja, kurz drauf steht jedenfalls die Schlafzimmertür offen, und sie liegt nackt auf dem Bett, und sie sind voll am Rummachen. Er bemerkt mich und winkt mich her. Es war nicht zu übersehen, dass sie scharf drauf war, also hab ich’s ihr auch besorgt.«
Anya fragte sich, was »nicht zu übersehen« hieß. »Hat sie Sie darum gebeten, es ihr zu besorgen?«
»Na ja, jetzt nicht so sehr mit Worten, aber man hat gesehen, dass es sie heiß macht, wenn ich zuschaue. Und als Lurch den Platz freigemacht hat und ich mich auf sie gelegt habe, hat sie sich nicht direkt gewehrt. Danach waren dann die Jungs an der Reihe.«
Anya konnte sich die Szene ausmalen: Alkohol, Testosteron und eine Frau. Nicht auszuschließen, dass die Frau zu verängstigt oder betrunken war, um sich gegen die sich abwechselnden Männer zu wehren. Die Unfähigkeit, sich dem sexuellen Akt zu verweigern, war aber in keinem Fall mit Einverständnis gleichzusetzen. Sie nahm sich vor zu überprüfen, ob in der näheren Umgebung Klagen über sexuelle Übergriffe durch eine Gruppe von Männern eingegangen waren.
»Haben Sie sie danach wiedergesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Er hat sich dann recht bald eine Neue gesucht. Die Weiber fliegen einfach auf unseren Lurch. Und Sie dürfen eins nicht vergessen, ich kannte Hannah damals noch gar nicht.«
»Und wie oft haben Sie danach noch … die Freundinnen miteinander geteilt?« Sie bemühte sich, neutral zu klingen.
»Höchstens acht oder neun Mal. Wir werden schließlich alle älter und ruhiger.«
Er stellte es hin wie eine harmlose Phase beim Erwachsenwerden.
»Waren diese anderen Frauen alle damit einverstanden, mit
Weitere Kostenlose Bücher