Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
drin ist?«
»Mann, ich hab ihn vor ’ner guten Stunde da reingehen hören.« Er bückte sich rücksichtsvoll zu Ethan herab, flüsterte dabei aber wie ein kleines Kind. »Er war nicht allein, aber sie hab ich gehen hören. Danach ist dann seine Frau gekommen, aber er hat ihr nicht aufgemacht.« Ethan wählte eine Nummer, und man hörte auf dem Zimmer ein Handy klingeln. Die Stirnfalten des Riesen wurden tiefer. »Ohne das Ding geht er nirgendwohin, da sind alle seine Nummern drauf.«
Und sämtliche Anhaltspunkte für seine Seitensprünge, überlegte Anya. »Wahrscheinlich duscht er nur«, sagte sie und fügte kaum hörbar hinzu: »Um den Geruch der anderen Frau abzuwaschen.« Einen unmittelbaren Anlass zur Panik konnte sie nicht erkennen. Die Besorgnis, die Vince an den Tag legte, schien ihr völlig überzogen, zumal er mithalf, den Seitensprung seines Freundes zu decken. Der Vortrag über Sexualhygiene hatte offensichtlich nichts bewirkt.
»Ich habe das Zimmer nebenan, ich würde es hören, wenn die Dusche läuft, Ma’am.«
Anya wurde klar, dass der Hüne Vince Dorafino sein musste. Einer der fünf, denen die Vergewaltigung Kirstens zur Last gelegt wurde. Nicht nur seine überzogene Loyalität fand sie bemerkenswert, auch seine ausgesuchte Höflichkeit.
Ethan schaute um sich und zückte eine Magnetstreifenkarte. »Fragen Sie nicht«, mahnte er und öffnete die Tür. Das Sicherheitsschloss war nicht verriegelt. Sie traten ein und sahen ein ungemachtes Bett, über den Boden der Suite verstreute Kissen, die Kleidungsstücke eines Mannes.
Aus dem Augenwinkel sah Anya Janson im Schrank: Er hing an einem Gürtel, der an der Kleiderstange befestigt war. Sein Gesicht war geschwollen, leichenblass, die Lippen blau, seitlich hingen schlaff die Arme herab.
Von einem Kondom abgesehen, war er nackt.
Sie tastete seinen feisten Nacken nach einem Puls ab. Kopf und Hände waren kalt. Pete Janson war schon einige Zeit tot.
Über die 911 forderte Ethan Hilfe an.
Er sah Anya in die Augen und fand sich damit ab, dass ein Wiederbelebungsversuch sinnlos war. Eilig schob er den Sicherheitsriegel vor. Anya trat zurück und sah sich nach Auffälligkeiten im Zimmer um. Auf dem Schreibtisch standen drei Tabletts mit leeren Tellern. Mit dem Handy fotografierte sie die Position der Leiche und den Zustand des Zimmers. Das Rettungsteam würde den Fundort zwangsläufig verändern. Eine Frau war bei ihm auf dem Zimmer gewesen, und damit wurde es zu einem potenziell verdächtigen Todesfall. Ohne etwas zu berühren, ging sie ins Bad, wo sie mehrere Röhrchen mit nicht gekennzeichneten weißen Pillen fand. Die musste die Polizei zur Analyse mitnehmen und mit dem toxikologischen Befund der Autopsie abgleichen.
Ethan stand da und starrte auf den Toten. »Jemand muss Buffet informieren.«
Anya hätte Frau und Familie für wichtiger gehalten.
Plötzlich hämmerte es an der Tür. »Was zum Geier ist da drin los?«
Ethan verdrehte die Augen zur Decke. »Jemand muss Horan angerufen haben. Der wird ziemlich angefressen sein, dass er einen so fetten Brocken verliert.«
Er machte die Tür auf, und der Agent stieß ihn beiseite. Er sah den Toten sofort.
»Um Himmels willen, tut doch was!« Er stürzte auf ihn zu, um den Gürtel zu lösen, aber Ethan hielt ihn mit aller Kraft zurück. »Es tut mir leid, aber es ist zu spät. Polizei und Notarzt sind auf dem Weg.«
Mit verzerrtem Gesicht riss Horan sich los und rannte ins Bad. Es klang, als müsse er sich dort übergeben. Die Rettungssanitäter, ein Mann und eine Frau, hörten beim Kommen gerade noch die Toilettenspülung.
»Irgendwer muss sich um den Menschenauflauf da draußen kümmern. Der ganze Flur ist voll.« Der männliche Sanitäter starrte auf die Leiche. »Ist das Pete Janson, der Footballer?«
Anya bejahte.
»Dann wollen wir mal das Protokoll durchgehen«, räusperte er sich. »Der Familie zuliebe.«
Ethan telefonierte mit dem Sicherheitsdienst des Hotels und bat darum, den Korridor räumen zu lassen und einen Aufzug für die Bahre freizuhalten. Seiner Bitte wurde entsprochen, als die Rede auf Reporterhorden und negative Publicity für das Hotel kam.
Mit Schutzhandschuhen versuchten die Rettungssanitäter, Jansons Hals von der Einschnürung zu befreien. »Das muss dranbleiben«, befahl Anya. »Es könnte ein Beweis sein.«
Die Sanitäterin zog die Augenbraue hoch.
»Ich bin Rechtsmedizinerin.«
»Hellseherin sind Sie wohl auch?« Sie trug eine Zahnspange und lispelte leicht.
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