Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Sie dachte an die unbeschrifteten Pillenröhrchen in Jansons Bad.
»Glauben Sie, dass es ein Unfall war?«, fragte sie.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in der Lage gewesen wäre, ihn niederzuringen und zu strangulieren. Sie haben ja selbst gesehen, was für ein Riese er war.«
»Es sei denn, man hätte ihn betäubt. Wir wissen nicht, wer die Frau auf dem Zimmer war, und der Zeitpunkt macht einen doch stutzig, finden Sie nicht?«
Ethan nahm einen Schluck. »Da hätte man ebenso gut ein Pferd betäuben können. Der Junge konnte problemlos zwei Flaschen Scotch kippen und mit einem Sixpack Bier nachspülen.«
Bei diesem Körpergewicht und der Masse glaubte Anya das gern. Wobei ihr schon immer ein Rätsel war, weshalb Spitzensportler so häufig bis zum Exzess tranken. Machten sie damit doch ein gut Teil ihres Trainings und ihrer Fitness zunichte. »Wenn die Laborergebnisse da sind, wissen wir, was da am Waschbecken lag und was er intus hatte.«
Ethan strich mit dem Finger am Glasrand entlang. »Glauben Sie, dass er sich umgebracht hat?«
Anya konnte die Möglichkeit eines Suizids nicht ausschließen, doch da gab es noch etwas, was zu bedenken war.
»Es könnte ein Unfall gewesen sein. Autoerotische Strangulation würde erklären, weshalb er nackt war, aber in den Fällen, mit denen ich bisher zu tun hatte, war immer Beiwerk in Reichweite, pornografisches Material zum Beispiel, und wenn man allein ist, hält man gewöhnlich einen Auslösemechanismus bereit. Wenn ein Partner dabei ist, handelt es sich um erotische Asphyxie. Der Strangulierte ist auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass der Partner die Schlinge rechtzeitig löst.«
»Da braucht es eine Menge Vertrauen.«
Nun trafen Bilson und sein Kollege ein, und Ethan winkte sie heran. Sofort regte der Barkeeper an, man könne sich im Restaurantbereich nebenan ungestörter unterhalten. Wahrscheinlich machte die Anwesenheit der Uniformierten den einen oder anderen Gast nervös. Sie setzten sich an einen für das spätere Abendessen bereits weiß eingedeckten Tisch.
»Es wird nicht lange dauern«, beruhigte Officer Bilson. »Das ist Eduardo Rodriguez«, stellte er seinen Partner vor. »Die Ermittler haben die Ehefrau ins Krankenhaus gebracht. Sie war völlig aufgelöst.«
Er holte tief Luft und atmete mit einem leichten Pfeifen aus. Er hatte ein rötliches Gesicht und geplatzte Äderchen an Nase und Wangen. »Leider hat Ihr Freund nicht überlebt. Wir müssen derzeit einen Suizid als wahrscheinlich ansehen. Litt Janson an Depressionen?«
Anya war ein wenig verdutzt. »Was ist mit autoerotischer Asphyxie?«
Rodriguez machte große Augen »Will heißen?«
Anya konnte nicht glauben, dass sie das einem Polizisten erklären musste, aber sie tat ihm den Gefallen. »Die Anhänger dieser Praxis gehen davon aus, dass die Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn während des Orgasmus durch den damit verbundenen Sauerstoffmangel zu einem gesteigerten sexuellen Empfinden führt. Man braucht natürlich eine Vorrichtung, um die Strangulation zu lösen, bevor man das Bewusstsein verliert. Leider Gottes kommt es vor, dass man das Bewusstsein verliert, ehe man sie lösen kann. Das Ganze ist hochriskant, und man darf davon ausgehen, dass eine ganze Reihe vermeintlicher Suizide unter männlichen Teenagern tatsächlich darauf zurückzuführen ist.«
Der junge Polizist sah sie zweifelnd an. »Und das wissen Sie woher?«
»Ich bin forensische Pathologin und Expertin für sexuelle Gewaltdelikte.«
»Ah.« Rodriguez kratzte sich an einem Pickel am Hals. »Und wie lange strangulieren sich diese Typen so?«
»Manche tun es offenbar von Anfang an bis zum Orgasmus und darüber hinaus, während andere erklären, der Sauerstoffmangel mache sie euphorisch, weshalb sie sich zu Beginn der Erregungsphase strangulieren, das Band dann lösen, um es auf dem Höhepunkt des Orgasmus wieder zuzuziehen. Sie behaupten, das Einschießen des sauerstoffgesättigten Bluts ins Hirn sei es, was die Lust so ungemein steigere.«
Sie schwieg, während der Barmann Wasser brachte und sie bat, sich zu melden, wenn sie etwas bräuchten.
»Vor Jahren habe ich mal einen Kerl gesehen«, erinnerte sich Bilson, »ich glaube, er war Pharmavertreter. Der starb mit einer Krawatte um den Hals, steckte ansonsten aber komplett in Frauenkleidern. Rock, Schlüpfer, Netzstrümpfe, alles. Der Pathologe hat damals Unfall mit tödlichem Ausgang diagnostiziert. Genau so haben sie’s genannt.«
Anya sprach
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