Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
ausplauderte, dass sie zuhause meist hüllenlos herumspaziere. Niemand kam auf die Idee zu behaupten, dass eine Schauspielerin, die im Film oder auf der Bühne ihre Kleider ablegte, unmoralisch sei, sich prostituiere oder bereit sei, mit der Crew ins Bett zu steigen. Kein Reporter unterstellte, dass sie zur Vergewaltigung förmlich herausforderte. Diese Doppelmoral und das Ungleichgewicht der Machtverteilung trieb Anya die Zornesröte ins Gesicht.
In vielerlei Hinsicht hatte Darla recht. Bei der Arbeit als Stripperin war sie besser abgesichert als in vielen anderen Situationen. Sie hatte einen Wächter vor der Tür, und es gab verbindliche Regeln. Im Gegensatz dazu ging jede Frau, die sich in einer Bar mit einem Mann traf und mit ihm nach Hause ging, ein potenzielles Risiko ein. Aber damit ließ sich natürlich keine Auflage machen. Für die Leser war das Strippen offenbar gleichbedeutend mit Prostitution und »moralischer Verderbtheit«, wie ein Gemeindepfarrer es öffentlich ausdrückte.
So gut wie nirgends wurde erwähnt, dass die Männer Stammgast im Stripclub waren, obwohl sie doch verheiratet waren.
Der Trainer wurde mit den Worten zitiert: »Diese Burschen sind Krieger. Die ganze Woche über trainieren sie hart, um dann beim Match an vorderster Front zu stehen. Wer wollte es ihnen verübeln, wenn sie ab und an mal etwas Dampf ablassen? Das ist nur natürlich.«
Anya sah die Journalisten förmlich an seinen Lippen hängen. Selbstverständlich log die Frau, war sich der nächste Artikel sicher. Erinnern wir uns nur an Adam und Eva. Seit Anbeginn der Zeiten muss der Mann sich der Verführerin erwehren. Man hätte über diese Artikel lachen können, hätten sie Darla Pinkus nicht solchen Schaden zugefügt. Ihre Version der Ereignisse war glaubhaft, und sie hatte sich auf einen echten Kampf David gegen Goliath eingelassen, als sie zur Polizei ging und Anzeige erstattete. Komisch nur, dass das in den Medien niemand so sehen wollte.
Anya leerte ihr Glas und leckte sich den Cranberrysaft von den Lippen. Dann holte sie die letzten beiden ungelesenen Briefe aus Darlas Kistchen hervor. Der eine unterschied sich kaum von den übrigen, der zweite war in sauberer, leserlicher Handschrift verfasst.
Ich habe mit Bedauern erfahren, was Ihnen widerfahren ist, aber Sie dürfen damit nicht weitermachen. Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie es da aufnehmen. Man wird Sie vernichten.
Zu Ihrem eigenen Wohl: Lassen Sie ab!
Anya stieß die Luft aus. Anfangs dachte sie, es sei nur ein weiterer Brief, der Darla durch Drohungen dazu bewegen wollte, die Spieler in Ruhe zu lassen. Doch dann stach ihr etwas ins Auge.
Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie. Ich war Sie und bin Sie.
Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, aber einer der Männer, deren Opfer Sie geworden sind, hat auch mich vergewaltigt und schwer verletzt.
Ich kenne Ihren Schmerz, aber Sie machen es nur noch schlimmer. Hören Sie auf, bevor es zu spät ist.
Sie können gegen ihn nicht gewinnen. Er ist zu stark.
Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber es ist die Wahrheit.
Der Brief war nicht unterzeichnet.
24
In weißen hautengen Jeans, hochhackigen Schuhen und einem Top, das eine Schulter frei ließ, öffnete Terri Janson die Tür. Das lange platinblonde Haar war leicht gewellt. Das herzförmige Gesicht war hübsch, stach aber nicht besonders heraus. Sie war eine dieser zahllosen Prominenten, die Anya nie recht auseinanderhalten konnte.
»Treten Sie ein«, sagte Terri beinahe theatralisch. Ihre Zehen- und Fingernägel waren in derselben Farbe lackiert. Stolz präsentierte sie den Ausblick über den Central Park. »Wir brauchten ein zweites Zuhause, da wir beide zunehmend hier arbeiten. Ich hatte gedacht, Pete könnte hier wohnen, statt im Hotel, aber das ist wohl nicht erlaubt.« Sie klang verärgert. »Wie soll ich nur den Kindern erklären, dass Daddy in der Stadt ist, aber nicht bei uns sein darf?«
»Sie haben einen anstrengenden Beruf.« Anya beschloss, das Hauptaugenmerk von Pete zu Terri zu lenken. Von Ethan wusste sie, dass sie als Model bei Automobilausstellungen arbeitete und so auch ihren Mann kennengelernt hatte.
Dieses Thema schien ihr deutlich lieber zu sein. »Ich lote gerade ein paar tolle Angebote von mehreren Kosmetikfirmen aus. Ich überlege sogar, eine eigene Kindermodenkollektion zu entwickeln, erschwinglich und doch märchenhaft. Kleine Mädchen finden ein wenig Glamour genauso toll wie ihre Mütter.«
Anya konnte das
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