Wenn Kinder um sich schlagen
können, und stolpern doch immer wieder in Fallen und sind noch nicht reif, für sich wirklich Verantwortung zu übernehmen. Die Schule wird aus Sicht der Heranreifenden störend und überflüssig, die Schulleistungen sacken oft ab, die Perspektive für Ausbildungsplanung rückt mitunter in den Hintergrund. Abends kommen die Jugendlichen nicht ins, morgens nicht aus dem Bett, der Schlaf-Wach-Rhythmus verändert sich, »Party ohne Ende« ist mitunter angesagt, manchmal auch mit Gewaltexzessen und Schlägereien.
Das alles wird durch die Umbauprozesse im Gehirn hervorgerufen, die bei vielen jungen Männern oft erst mit 25 Jahren oder später weitestgehend abgeschlossen sind (die Frauen sind den Männern auch hier mal wieder weit voraus). Viele Eltern fragen sich verzweifelt, warum die Natur die Pubertät überhaupt erfunden hat. Dieser Sturm ist jedoch einfach notwendig, um einen groÃen Schritt in Richtung Ablösung von den Eltern und Entwicklung von Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit zu übernehmen. Erfreulicherweise durchlaufen jedoch die meisten Kinder dieses Chaos weitgehend unbeschadet,
mit 16, 17 oder 18 Jahren wird alles wieder ruhiger, Vernunft kehrt allmählich wieder ein und die Beziehung zu den Eltern wird wieder freundlicher, respektvoller und auch liebevoller. Und dabei können und müssen wir Eltern unsere Kinder unterstützend begleiten.
Wie sollte Beziehung und Erziehung in der Pubertät gestaltet sein?
In der Pubertät und im Heranwachsendenalter treten bei etwa einem Viertel der Jugendlichen Störungen im Sozialverhalten auf. Diese Auffälligkeiten verlieren sich zum Teil wieder. Deshalb müssen die wichtigen Bezugspersonen - wir Eltern, aber auch Lehrerinnen und Lehrer, Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen - bei Nachmittags- und Abendaktivitäten die Jugendlichen auch in diesen Phasen unterstützen und begleiten, damit Störungen des Sozialverhaltens möglichst gar nicht erst auftreten oder sich wieder zurückbilden können. Untersuchungen über Elterntrainings (s. Kapitel 7), in denen Eltern gezielt in ihrer erzieherischen Sicherheit gestärkt werden, zeigen, dass über solche Trainings das Verhalten der Kinder durchaus positiv beeinflusst werden kann. Jedoch sind diese Einflüsse geringer, je älter die betreffenden Kinder sind. Zudem zeigen Untersuchungen an jugendlichen und jungen erwachsenen Straffälligen, die in der Haftanstalt an intensiven Antiaggressionstrainings teilnahmen, dass durch solche TherapiemaÃnahmen die Rückfallhäufigkeit zur Gewaltkriminalität nicht verbessert werden konnte.
Diese Erkenntnisse legen nahe, dass frühestmögliche Vorbeugung von Entwicklungen zur Gewalttätigkeit enorm wichtig ist. Die Vorbeugung fängt schon, wie in den vorangehenden Kapiteln ausgeführt wurde, in der Schwangerschaft an: dadurch, dass Mütter Nikotin, Alkohol und Drogen meiden
und möglichst wenig belastenden Stress erleben. In den nachfolgenden Entwicklungsstufen können Eltern weiterhin viel dazu beitragen, dass ihre Kinder keine Störung des Sozialverhaltens entwickeln, indem sie versuchen, einerseits liebevolle, andererseits konsequente Erziehungshaltungen zu verwirklichen. Die elterlichen Einflüsse in der Pubertät sind wie gesagt deutlich geringer, aber dennoch vorhanden. Also: Nicht aufgeben in dieser schwierigen Entwicklungsphase!
Die Pubertät ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass die Kinder zunehmend eigene Ideen, Wünsche und Interessen verwirklichen wollen und wir Eltern lernen müssen, die Leinen immer lockerer zu lassen, andererseits aber weiterhin dafür Sorge tragen müssen, unsere Kinder vor Gefahren zu schützen. Dazu sind weiterhin regelmäÃige (am besten tägliche) Gespräche über die Tageserlebnisse, über Wünsche und Vorhaben und über die Regeln des Zusammenlebens notwendig.
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Ein 13-jähriges Mädchen möchte mit zwei Freundinnen abends ins Kino in die Stadt gehen. Dazu müssten die drei mit dem Bus fahren und wären erst gegen 23 Uhr zu Hause. Den Eltern gefällt das Vorhaben nicht. Sie wissen aber, dass es nicht gut wäre, mit der Faust auf den Tisch zu hauen und das Vorhaben zu verbieten. Dadurch würde sich die Tochter missachtet fühlen und zukünftig vielleicht weitere Vorhaben verheimlichen und sich über Verbote der Eltern hinwegsetzen. Denn Hand aufs Herz: Wie waren wir
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