Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
mit Schinken und biss hinein.
„Rede ich Unsinn?“
Marah sah sie einen Moment an, ehe sie erwiderte: „Nein. Die Meinung oder die Beweggründe einer Person sind niemals Unsinn. Auch, wenn andere sie nicht nachvollziehen können oder gutheißen.“
„Du bist also auch Jonathans Ansicht? Du bist … erschüttert? Und verärgert?“
„Das hab ich nicht gesagt. Und nein, ich bin nicht verärgert – oder erschüttert. Letzteres vielleicht ein klein wenig. Es ist einfach nur etwas schwer zu verstehen, wie du mit einem von ihnen befreundet sein kannst – oder sein konntest. Weder Jo noch ich haben je etwas Gutes von einem Sensaten gehört. Unser Bild von ihnen ist von Grund auf anders, als deines, daher ist es für uns schwer nachzuvollziehen, was du erzählst.“
„Ich habe kein Bild von ihnen“, entgegnete sie ernst. „Bis vor zwei Wochen wusste ich nicht mal, dass es sie gibt –obwohl ich mit einem von ihnen befreundet war.“ Sie registrierte, dass sie in der Vergangenheitsform sprach. Einem Teil von ihr brach dies das Herz.
„In Ordnung. Würdest du mir alles erzählen, was du weißt? Wer dieser Merkas ist? Woher deine Verletzungen kommen? Was passiert ist, seit du von den Sensaten weißt?“
Sie presste die Finger um ihren kalten Teebecher. Was Nikolaj getan hatte, wollte sie nicht erzählen – weil sie es selbst nicht hören wollte und weil sie Angst vor der Reaktion einer Außenstehenden, einer „Klarsehenden“ hatte. Aber zeitgleich spürte sie ein Gefühl von Erleichterung, weil sie endlich mit jemandem über all das sprechen konnte, was sich in ihrem Leben ereignet hatte. Marah „wusste Bescheid“. Sie war jemand, der mit diesen Informationen umgehen konnte, weil sie bereits Teil ihres Lebens zu sein schienen.
Und so aßen sie, während sie Marah alles erzählte, was seit der Nacht in der Gasse passiert war: die Rettung durch Nick, die Trennung von Josh, Merkas Intrige, der Tod ihres Vaters, der Zeitsprung zurück in Liliths Leben, die Begegnung mit Hekate, der Kampf mit Céstine und Luzifer. Sie erzählte, was aus ihrem Leben geworden war – hielt sich aber zurück, was Nikolajs Taten ihr gegenüber anging. Dies war eine Sache, die sie erst einmal selbst verarbeiten und für sich klären musste. Sie wollte ihn nicht an einen öffentlichen Pranger stellen. Erst galt es, ihn vor ihrem persönlichen Pranger bestehen zu lassen.
ACHT
„ Darum geht es also …“ Marah nahm einen tiefen Atemzug. „Das ist echt harter Tobak. Es hieß … ich wusste, dass die Sensaten etwas mit Luzifer zu tun … also dass sie Kinder des Teufels sind, und dass irgendwie eine Hexe darin verwickelt sein soll, aber dass …“ Sie schüttelte den Kopf. „Dass ihre Schöpfung sich derart zugetragen hat, dass sie eigentlich … gut sein und auf der Seite der Hexen stehen sollten … dass Hekate selbst an diesem Zauber beteiligt war … Wow …“
„Niemand wusste das. Niemand außer Hekate selbst. Bisher zumindest“, sagte sie und massierte sich die Schläfe.
„Und deine Aufgabe, die Aufgabe, die Hekate für dich …“, Marah verschluckte ihre letzten Worte und starrte auf die Tischplatte. „Jetzt ergibt das auch alles einen Sinn …“, sinnierte sie vor sich hin. „Du bist nicht nur einfach irgendeine Menschenfrau, die zwischen die Fronten zweier Sensanten geraten ist, du bist weit mehr als das. Du bist dem Schöpfer der Sesanten ein Dorn im Auge. Du könntest alles durcheinanderbringen, den Fehler von einst korrigieren. Beheben, was damals nie hätte passieren sollen und Luzifer ordentlich in die Suppe spucken.“
„Wie kommt Hekate darauf, dass ich das könnte? Ich habe keine Ahnung, was
ich
tun sollte“, sagte sie mit erhobener, verzweifelter Stimme. „Ich bin nur …
ich
! Eine normale 24 jährige Frau, die bis vor zwei, drei Wochen nicht das Geringste von all dem gewusst hat. Weder von Sensaten, noch von Hexen – auch nicht, dass ich selbst eine sein soll. Ich kann nicht … ich bin nicht …“ Sie spürte Verzweiflung und Wut in sich aufsteigen. Ja, wie konnte Hekate – oder irgendjemand sonst – glauben, sie wäre etwas Besonderes? Jemand, der in dieser Angelegenheit irgendetwas bewirken oder verändern könne? Wenn nicht mal die Hexengöttin persönlich mehr hatte ausrichten können, als „Schadensbegrenzung“ zu betreiben? Der „Schaden“ war nicht erst gestern passiert. In all den Jahren, die vergangen waren, hatte Hekate nicht eingegriffen. Als Grund blieb einzig der, dass sie
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