Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
ist Stoff für lebenslange Albträume.
Ich huschte zum Treppengeländer und lauschte nach unten, aber da regte sich nichts. Bestimmt wartete Herr Makel neben der Eingangstür auf den Missetäter, der die Plakate aufgehängt hatte.
Aber dann änderte er seinen Plan. Klar! Er konnte ja nicht wissen, ob ich überhaupt noch da war. Und das wollte er jetzt überprüfen. Ich hörte schnelle Schritte, die auf die Treppe zukamen.
Also wich ich rasch vom Geländer zurück, überlegte einen Moment und raste dann auf die einzige Tür zu, die er nicht würde öffnen können. Die vom Mädchenklo. Laut Schulordnung dürfen männliche Wesen das Mädchenklo niemals betreten. Und so wie ich die Gesetze in diesem Land kenne, könnte es auch weit über die Schule hinaus ein ziemlicher Skandal werden, wenn ein Schulleiter Mädchen auf die Toilette verfolgt und dort an ihre Tür wummert. Das konnte der Maki nicht riskieren, in diesem Raum war ich sicher.
Was ich nicht bedacht hatte: Die Klotür quietscht. Wenn der Maki vorher nicht wissen konnte, ob der Übeltäter noch im Schulhaus war – jetzt war es klar.
Und deswegen sitze ich jetzt hier. Und sitze. Und sitze.
7.35 Uhr Endlich! Türklappern, Stimmen, Gelächter. Noch fünf Minuten, dann wage ich die Flucht!
8.15 Uhr Geschafft. War ganz leicht, denn als ich aus dem Klo kam, war da niemand.
Da stellt sich natürlich die nagende Frage, ob ich grundlos eine halbe Ewigkeit auf diesem Klodeckel saß. Aber ich will nicht darüber nachdenken. Lieber erhalte ich mir den letzten Rest meines Selbstwertgefühles, indem ich mir einbilde, dass ich dank meines Durchhaltevermögens ganz knapp einem rasenden Schulleiter entronnen bin. Und mein Selbstwertgefühl muss dringend aufgepäppelt werden. Denn viel schlimmer als meine Dauerklositzung war das, was danach kam.
Oh Gott, ich bin so blöd!!! Ich schätze, ich habe ungefähr den IQ einer Seepocke. Das sind Lebewesen, die sich nie von der Stelle bewegen, sie brauchen also nicht viel Hirn. Und ich solltemich am besten auch nie mehr von der Stelle bewegen, dann kann ich nicht viel Schaden anrichten. Ich muss mir nur noch einen passenden Ort für den Rest meines Lebens aussuchen. Wie wäre es denn im Mädchenklo? Da passt wenigstens mein Po drauf. Vermutlich ist das der Ort meiner Bestimmung! Mensch, echt, ich verstehe gar nicht, wie mir das passieren konnte.
8.20 Uhr Okay.Ich war müde. Deswegen bin ich nicht auf die naheliegende Lösung gekommen. Deswegen habe ich nicht daran gedacht, unsere Aktion einfach über Twitter, Facebook und SMS zu verbreiten. Oh Mann, das hätte ich sogar im Bett tun können. Warum schleiche ich stattdessen mit Plakaten in die Schule und lande schließlich auf dem Klo?
8.30 Uhr Klar, ich hätte das bestimmt noch gepostet. Wenn Vicky nicht schneller gewesen wäre. Gaaah!!!
8.31 Uhr Und Vickys Aktion hatte Erfolg. Als ich nach meiner Klositzung Tom endlich gefunden hatte, war er von einer Traube von Schülern umringt. Und vor allem von ganz vielen Schülerinnen. Alle haben schon lange genug von der diktatorischen Art unseres Direktors. Alle finden den Spendenlauf nervig. Und inzwischen wussten alle von dem geplanten Boykott und alle wollten bei unserer Aktion mitmachen. Eigentlich war das ja toll.
Nur – es war gar nicht mehr unsere Aktion. Es war plötzlich nur noch Toms. Sein Name war in aller Munde, er war der neue Held der Schule. Und Vicky war plötzlich so etwas wieseine Pressesprecherin. Sie stand an seiner Seite, gab Interviews und koordinierte die ganze Sache.
Und ich? Niemand hat mich gefragt, wo ich die ganze Zeit gesteckt habe. Nicht mal Tom. Das war ja eigentlich ganz gut, ich wollte ja gar nicht darüber reden. Nur: Niemand hat mich vermisst. Auch Tom nicht. Und das war ein ganz schreckliches Gefühl.
8.45 Uhr Eben kam es zu einer kurzen Unterbrechung des Unterrichts:Herr Welter kam ins Klassenzimmer und überreichte den Klassensprechern die Organisationspläne für den Marathon. Wir sollen uns alle irgendwo als Helfer eintragen. Bis übermorgen. Tja, wir werden wohl leider nicht da sein.
9.40 Uhr Kunst. Wir malen ein Ei.
9.42 Uhr Hey, ich habe mir das nicht ausgedacht! Wir sollen echt ein Ei malen. Ein weißes. Wie kommen Lehrer eigentlich auf solche Ideen? Denken die beim Frühstück: Mist, was mache ich denn nachher mit der 10 b? Und dann fällt ihr Blick aufs Frühstücksei?
9.44 Uhr Ganz so war’s wohl nicht. Unser heutiges Thema heißt
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