zusammen sind, hat uns verändert. Er ist nicht mehr derselbe Tom, der noch vor ein paar Wochen meinen Radiergummi gegessen hat. Er ist jetzt plötzlich, ja, also, mir fehlt dafür das Wort, aber irgendwie ist er ganz schön sexy atemberaubend. Wir müssten jetzt viel Zeit haben und uns neu kennenlernen. Aber stattdessen ist da ein Meer von Stimmen und Gesichtern zwischen uns. UND WIR MALEN EIN EI .
Dingdangdong, endlich Pause, endlich Tom.
11.30 Uhr Ja, von wegen. Gestern konnten wir wenigstens in den Pausen allein sein. Heute nicht. Die Facebook-Gruppe»Spendenmarathon – da läuft was schief« hat schon 82 Mitglieder, die aktiv beim Boykott mitmachen wollen. Und alle wollten in der Pause mit Tom reden, weil sie wissen möchten, wie das am Montag genau ablaufen soll.
Vom Maki kam bis jetzt noch keine Reaktion. Der glaubt wahrscheinlich, dass er die Sache gestoppt hat, weil er die Plakate rechtzeitig vernichten konnte. Aber wenn er seine kleinen weißen Ohren spitzt, dann wird er das Raunen auf den Schulfluren vermutlich bald hören. Und dann? Was tut er dann?
Ach, im Moment ist mir das so was von egal. Ich will Tom. Ich will wissen, was er denkt, was er fühlt und träumt. Und ich will an ihn denken und ihn fühlen und von ihm träumen.
12.05 Uhr Boah! Ich kann jetzt wirklich nicht länger Rücksicht auf das Ego meines Vaters nehmen. Ich MUSS Tom heute Nachmittag sehen und mit ihm allein sein. Das ist wichtiger als alles andere auf der Welt.
Betreff: Gruß aus der Ferne
Datum: 29.06., 22:23 Uhr
Von: Oliver Kirsch
An: Iris Kirsch
Hallo, du schönste Blume meines Lebens,
ich weiß, du wirst diese Mail nicht so bald lesen. Ihr seid ja da draußen am Meer in einem Funkloch und der Weg zum nächsten Internetcafé ist weit. Trotzdem schreibe ich dir, denn falls du diesen Weg irgendwann auf dich nimmst, soll er nicht umsonst gewesen sein, dann sollst du auch eine Nachricht von mir in deinem Postfach finden.
Uns geht es gut! Natürlich vermissen wir dich sehr, ich besonders, aber wir kommen klar. Und wir freuen uns schon auf deinen baldigen Besuch.
Sag mal, gibt es hier im Haus irgendwo eine Gebrauchsanweisung für die Kinder und den Hund? Ich suche die seit Tagen und finde sie nicht.
Nein, war ein Witz. Ich habe alles im Griff. Nur manchmal bin ich natürlich ein bisschen unsicher, ich bin ja ganz neu in dem Job als alleinerziehender Hausmann. Wenn du also ein paar Tipps hast, wie ich mich am besten verhalte, wenn die Kinder und der Hund nicht tun, was ich sage – das könnte hilfreich sein. Also, wie gesagt, es läuft gut. Ich glaube, das ist ganz normal, wie das hier läuft. Du hast ja früher auch oft erwähnt, dass die Kinder dich manchmal an den Rand des Wahnsinns bringen. Also mach dir keine Sorgen! Ich wollte nur sagen, falls du ein paar Ratschläge hast, binich dafür offen. Und ich wüsste auch gern, bei welcher Temperatur man bunte Unterwäsche wäscht. Ist das wie Buntwäsche? Oder ist das Kochwäsche? Und wann war noch mal der Zahnarzttermin von Rosalie? Ach, ich rufe einfach bei der Praxis an.
Du siehst, ich hab’s im Griff!
Es liebt dich
dein Tiger
Immer noch Mittwoch, 29. Juni
Aus Lilias Lexikon der Liebeswörter (LLL):
Va-tal (Adjektiv), Komparativ vataler, Superlativ am vatalsten. Unangenehme, verhängnisvolle, peinliche Situationen, in die Väter ihre heranwachsenden Kinder bringen können, bezeichnet man als vatal. In diese Kategorie gehören beispielsweise Gespräche über » Säggs. Vatale Situationen können sich rasch zuspitzen und enden dann in der » Vatastrophe.
20.24 Uhr Als ich eben nach Hause kam, habe ich mich vor der Tür kurz gefragt, ob mein Schlüssel noch passt. Ich dachte: Vielleicht hat Paps zur Strafe das Schloss ausgewechselt. Vielleicht will er ja, dass ich demütig klingeln und um Einlass bitten muss, weil ich mich nicht an den von ihm verhängten Hausarrest gehalten habe und den ganzen Nachmittag bei Tom war, was er zwar nicht weiß, aber garantiert vermutet. Er hat das Schloss aber nicht ausgewechselt. Der Schlüssel passte.
Ich habe dann fest damit gerechnet, in meinem Zimmer eine wütende Botschaft von ihm vorzufinden, mit einer Verlängerung meines Hausarrests auf lebenslänglich.
Da war aber nichts.
Irgendwann bin ich aufs Klo gegangen und habe dabei absichtlich Lärm gemacht. Paps sollte hören, dass ich zu Hause bin, er sollte kommen und mir endlich eine Strafpredigt halten. Ich