Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
Wand, die Broschüren auf dem Fensterbrett. Am Fenster hängt ein Mobile mit lauter Störchen. Unangenehm. Das Babythema hatte ich bisher noch nicht so auf dem Zettel.
17.30 Uhr Jetzt ist Dana dran. Sie wurde eben aufgerufen und ging mit staksigen Schritten zur Tür. Ich bin hiergeblieben, denn Dana wollte es so. Den Rest will sie allein schaffen.
Vor ihr war ein blondes Mädchen in unserem Alter dran. Sie war mit ihrer Mutter da und die ist mit ihr reingegangen. Ich frage mich, ob ich lieber mit einer Freundin oder mit meiner Mutter zum ersten Mal zur Frauenärztin gehen würde. Beides hat Vor- und Nachteile. Mit einer Mutter an der Seite bekommt der Besuch so was Hochoffizielles. Und man hat jemanden, der sich mit Papierkram und Krankenversicherung und so auskennt. Aber eine Mutter stellt vielleicht auch Fragen, die man mit Müttern nicht so gern diskutieren will.
Ein Mädchen, etwas älter als wir, ist sogar mit ihrem Freund da. Er sitzt vornübergebeugt, die Arme auf die Oberschenkel gestützt, sieht niemanden an und wippt mit der rechten Fußspitze. Er ist total nervös und ihr geht es auch nicht anders. Sie zieht dauernd ihr Handy aus der Tasche und sieht nach, wie spät es ist. Beide fühlen sich sichtlich unwohl, aber sie stehen das zusammen durch. Ich finde das ein bisschen schön und gleichzeitig ein bisschen schrecklich. Einerseits geht das Thema Verhütung ja wirklich beide was an. Andererseits, wenn ich mir Tom in diesem Wartezimmer vorstelle, also nee, echt nicht, das ist mir eine Schuhnummer zu groß. Oder drei Nummern. Vielleicht ist ein Frauenarztbesuch doch auch was Privates. Andererseits ist Sex das ja eigentlich auch. Blöde Gedanken.
Mensch, Dana, was machst du so lange da drin? ICH WILL HIER RAUS !!!
21.00 Uhr Wieder zu Hause. Immer noch Funkstille zwischen Paps und mir. Dafür richtig Funken zwischen mir und Florian.
»Wo warst du?«, hat er mich eben gefragt, als ich nach Hause kam. Er stand mit verschränkten Armen in meiner Zimmertür und hatte einen Tonfall drauf, also nee, echt nicht, ich brauche nicht noch einen Erzieher!
»Bei Dana«, sagte ich kurz. Dann ging ich zu meinem Schrank, holte meine Jogginghose raus und warf die Schranktür mit Schwung zu. Ich drückte mich an Flocke vorbei durch die Tür, ich wollte nämlich duschen, wollte diesen Nachmittag abwaschen. Aber Flocke ließ mich nicht durch. »Lüg doch nicht. Ich bin bei Dana vorbeigefahren und ihre Tante sagte, sie sei bei dir.«
»Ich lüge nicht! Ich lüge nie. Ich war über Mittag definitiv bei Dana. Nachmittags waren wir unterwegs, aber eben habe ich sie noch nach Hause begleitet. Und jetzt geh mir mal aus dem Weg.«
Flocke blieb, wo er war. »Und wo wart ihr heute Nachmittag?«
»Willst du wissen, wo ICH war? Das geht dich gar nichts an. Du bist nicht mein Erzieher.« Ich zwängte mich an ihm vorbei. »Oder willst du eigentlich nur wissen, wo Dana war? Dann frag sie doch einfach selbst.«
»Lilia! Du …«
» FRAG DANA !« Ich riss die Badezimmertür auf. Mir reichte dieser Tag jetzt so langsam. »Frag sie doch einfach mal irgendwas! Bist du eigentlich schon mal auf die Idee gekommen, dass man mit ihr reden kann?«
»Was soll denn das jetzt bitte heißen?«
Ich hielt inne, schloss die Tür wieder und drehte mich zu ihmum. »Pass mal auf, ich stelle dir jetzt drei Fragen. Mal sehen, ob du sie beantworten kannst.«
»Spinnst du jetzt? Sind wir hier im Märchen, oder was?«
»Frage eins!«, sagte ich unerbittlich. »Nenne mir Danas Lieblingsfarbe?«
»Blau.«
»Falsch. Rot. Frage zwei: Zähl mal drei Dinge auf, die Dana so richtig gern mag.«
»Bananenmuffins.«
»Okay. Noch zwei.«
»Mich.«
»Pffff. Na gut. Noch eine?«
»Ach, leck mich!«
»Weiße Gummibärchen. Regen. Mohnblumen. Den Film Elizabethtown . Waschbären. Barfuß laufen.«
»Ja, ja, ja«, brummte Florian.
»Und jetzt Frage drei: Zu wem hat Dana eine bessere Beziehung, zu ihrem Vater oder zu ihrer Mutter oder zu ihrer Tante?«
»Ey, lassen wir das jetzt!«
»Flocke, ihr habt eure Münder doch nicht nur zum Knutschen. Rede doch mal mit Dana. Vielleicht sagt sie dir dann, wo wir waren.«
Er sah aus wie ein Schaf im Gewitterregen und plötzlich tat er mir leid. Eigentlich war das nicht gerecht gewesen. Zu einer Beziehung gehören schließlich zwei. Auch Dana könnte mehr mit Flocke reden. Auch sie hat nicht gewusst, was seine Lieblingsfarbe ist. Sie hat erst neulich gesagt, sie würde sich jemanden wünschen, mit dem sie mal
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