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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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Kram?«
    »Normalerweise schrote ich mir Grünkern«, er grinste sie an. »Gestern war die Ausnahme.«
    »Welche Pizza gab’s denn? Als Ausnahme?«
    »Sardelle-Olive.«
    »Gute Wahl. Kennen Sie die von Antonio?«
    »Sie kennen Antonio?«
    »Beste Sardellen-Oliven-Pizza in der Stadt.«
    »Stimmt. Wir haben schon zwei Gemeinsamkeiten. Wir lieben den Coffee-to-go einer amerikanischen Kette, obwohl er so viel kostet wie ein ganzes Essen und unsere netten, heimischen Cafés verdrängt, und wir bestellen die gleiche Lieblingspizza beim gleichen Italiener. Wir müssen füreinander bestimmt sein.«
    Er lächelte Liz an.
    »Darf ich Sie zu einer Pizza einladen, wenn Sie wieder laufen können?«
    »Nein.«
    Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, und Simon schaute enttäuscht.
    »Ich lade Sie ein«, grinste Liz. »Als Dankeschön für die allmorgendlichen Rettungsbecher. Und, wie ging es weiter?«
    »Champions League.«
    »Verstehe.«
    »Und Sie?«
    »Was, und ich?«
    »Wie war Ihr Abend?«
    »Oh, mindestens so gut wie Ihrer, wirklich. Ich glaube, mein Essen war nur sehr, sehr viel besser. Äußerst liebevoll zubereitet. Zwei angetrocknete Scheiben helles Brot, drei Scheiben Aufschnitt, ein Stückchen sehr weiche Butter für die, die nicht so gut streichen können, ein Schälchen Kräuterquark und zwei Radieschen. Und dann habe ich mich ausnahmsweise mal richtig früh ins Bett gelegt und bin einfach den ganzen Abend liegen geblieben.«
    »Wow.«
    »Heute wird es noch besser. Heute kommt meine Mutter zu Besuch.«
    »Freuen Sie sich nicht?«
    »Ich freue mich ganz bestimmt, sie zu sehen. Wenn sie das Zimmer betritt, werde ich mich total freuen. Und dann wird sie hier sitzen, und ich werde nicht wissen, unter welchem Vorwand ich eben mal unauffällig den Raum verlassen kann, um durchzuatmen, denn ich kann Räume nicht unauffällig, sondern nur mit Hilfe von Personal verlassen. Aber ich muss bei meiner Mutter immer mal gut durchatmen, damit ich freundlich bleiben kann. Denn das möchte ich schon.«
    »Durchatmen?«
    »Freundlich bleiben.«
    Liz seufzte.
    »Sie ist so anstrengend. Braucht einfach viel, viel Aufmerksamkeit. Ich werde sie trösten müssen, dass ihre Tochter einen Unfall hatte.«
    »Hat Ihre Mutter eigentlich etwas mit England zu tun? Sie schreiben Ihren Namen mit ›z‹, das sieht sehr englisch aus.«
    »Ich wurde nach keiner Geringeren als der Queen of England benannt! Als ich geboren wurde, war mein Vater in England. Er sagte, geschäftlich. Später stellte sich heraus, dass seine Geliebte dort einen Sprachkurs machte, Business English. Sein Geschäft bestand darin, dass er ihr in der Fremde das kalte, englische Bettchen wärmte. Es war jedenfalls das Jahr, in dem die Königin gefeiert wurde, weil sie schon fünfundzwanzig Jahre auf dem englischen Thron saß. Und mein Vater brachte meiner Mutter eine Tasse mit, darauf war die Queen lächelnd abgebildet und darunter stand ›Queen Elizabeth, Silver Jubilee‹. Herr Baumgarten war sehr charmant und kreativ, er hatte meiner Mutter so etwas ins Ohr geflüstert wie, dass sie seine Königin sei und dass er sich schon auf die Silberhochzeit mit ihr freue. Ich habe als Kind immer meinen Kakao aus der Tasse getrunken und es dann gar nicht verstehen können, dass meine Mutter meine Lieblingstasse irgendwann mit sehr viel Kraft und sehr viel Wut gegen die Wand gepfeffert hat. Sie hatte eben herausbekommen, was mein Vater damals vor acht Jahren während meiner Geburt in England wirklich getrieben hatte.«
    »Das tut mir leid. So eine Geschichte habe ich nicht erwartet.«
    »Sie hätten lieber die Geschichte des etwas skurrilen, blaublütigen Herzogs in der Verwandtschaft gehört.«
    »Wäre vielleicht auch für Sie eine nettere Geschichte geworden. Was ich Ihnen gewünscht hätte.«
    Liz schaute ihn schräg an.
    Er nahm kurz ihre Hand, sah sie an und sagte leise, so dass nur sie es hören konnte. »Ich wünsche Ihnen eigentlich nur schöne Geschichten. Aber wahrscheinlich wären Sie nicht so, wie Sie sind, wenn Sie nur schöne Geschichten erlebt hätten.«
    »Ja, vom Unglück profitiert man ungeheuer und gewinnt ungemein an persönlicher Reife.«
    Liz versuchte wie immer einen Spaß daraus zu machen, damit nicht zu viel Nähe zwischen ihnen entstand, doch als sich ihre Blicke trafen, blieb sie einen ganzen Moment lang an seinen Augen hängen und schwieg, bevor sie zugab:
    »Das Leben verändert sich, wenn man am gleichen Tag seine Lieblingstasse und seinen Vater

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