Wenn nicht jetzt, wann dann?
aufbewahrte, von denen er sich nicht trennen konnte, damals, als er alles aufgegeben hatte, was man ein konventionelles Leben nannte, und daneben ein Schrank. Beides war wie das Bett aus Kirschholz und gehörte zusammen. Wenn er sich recht erinnerte, war es das Junggesellenschlafzimmer seines Großvaters gewesen. Oder seines Onkels? Er begann, solche Dinge zu vergessen. Sie waren unwichtig. Wichtig war, dass er das Holz mochte und dass er zufrieden war, wenn er seine Kirschbäume anschaute und dabei an das Holz seines Bettes dachte, in dem er schlief.
Annemie kniff die Augen zusammen, als sie das Bild entdeckte, das über seinem Ohrensessel an der freien Wand hing.
»Da hat jemand diesen Maler imitiert, der immer die schönen Seerosen malte, oder?«
Das Bild zeigte einen Garten, das Spiel von Licht und Schatten und schwimmenden Sonnenflecken, und war tatsächlich ein echter Monet. Er hatte ihn sich von dem Erlös ersteigert, den der Verkauf seines gesamten Hab und Guts erbracht hatte.
»Monet war ein leidenschaftlicher Gärtner. Er hat seinen Garten geliebt. Und ihn jeden Tag gemalt. Jeden Tag und jede Stunde war das Licht anders, und er hat sich in jeden nur möglichen Augenblick hineinvertieft.«
»Es ist schön hier«, sagte sie. »Ganz anders, als ich es gewohnt bin, aber schön. Eine kleine, perfekte Welt. Als Kind habe ich von so etwas geträumt. Ein eigenes Reich. Und aus jedem Fenster sehen Sie in Ihren Garten.«
Er sah sie nachdenklich an, während er den Kaffee fertig aufbrühte. Dann nahm er ein Tablett, stellte Milch und Zucker darauf, und bat Annemie, ihm zu folgen.
»Ich zeige Ihnen etwas, das Ihnen gefallen wird, Sie werden gerne die Hummel in dem Garten sein, versprochen.«
Damit ging er voraus, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Hinter seinem Haus, in einem Beet, das an drei Seiten von halbhohen, aufgeschichteten Steinmauern geschützt war, befand sich sein Rosengarten.
»Hier ist es warm, die Sonne fängt sich an den Mauern, und man kann auch draußen sitzen, wenn es sonst noch kühl ist. Und deshalb kommen hier schon die ersten Knospen und die ersten Rosenblüten zum Vorschein. Alles alte Rosen.«
»Das duftet ja wie Sommer!«, entfuhr es ihr. »Was für ein wunderschöner Rosengarten.«
»Der ist mein kleiner Schatz. Den kennt niemand. Sie sind der erste Mensch, dem ich meine Rosen zeige.« Er grinste. »Nachdem Sie sich schon selbst Zutritt zu meiner geheimen Hortensienzucht verschafft haben … Aber eigentlich müssen Sie in ein paar Wochen wiederkommen, wenn hier alles hemmungslos blüht. Das wird Ihnen gefallen.«
Sie saßen zusammen auf der Bank in der wärmenden Frühlingssonne, lehnten sich zurück, schauten schweigend in die knospenden Rosen, hingen ihren Gedanken nach und genossen den Vormittag und ihre gegenseitige Gesellschaft in stillem Einvernehmen.
Nachdem Annemie gegangen war, setzte sich Hannes auf den Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, nahm die Tasse in die Hand, aus der sie getrunken hatte, und dachte, dass er zum ersten Mal jemanden in sein Reich gelassen hatte. Es war ihm immer erschienen wie ein Königreich. Er hatte alles selbst erschaffen, er konnte die Lage eines jeden Steines bestimmen, die Blumen, die wachsen sollten, der Blick aus jedem seiner Fenster war von ihm gestaltet. Nichts passierte hier, was er nicht geplant hatte. Sie hatte das alles erkannt. Und nun war etwas passiert, was nicht eingeplant gewesen war. Annemie Hummel hatte seine Gärtnerei betreten. Und während er sich gefühlt hatte wie ein König, der in seinem Paradies lebte, fühlte er sich jetzt wie ein König in der Verbannung. Nachdem sie gegangen war, spürte er seine Einsamkeit in einer Deutlichkeit, die weh tat.
Simon verließ das Krankenhaus pünktlich, um Leonie am Kindergarten abzuholen. Das Wetter war so schön, dass er beschloss, mit ihr Eis essen zu gehen. Wie die Welt sich verändert hatte in den letzten Tagen. Vor zwei, drei Wochen waren noch so gut wie alle Bäume kahl gewesen, und nun waren alle Knospen aufgegangen und die Welt war voller Laub und grünem Licht und dunkelgrünem Schatten. Dazwischen blühte es in allen Farben, und man bekam sofort gute Laune, wenn man nach draußen kam. Während Simon zum Kindergarten radelte und sich freute, dass er jetzt das Auto stehen lassen konnte, weil er die meisten Strecken mit dem Rad fuhr, dachte er an Liz. Das war durchaus nichts Außergewöhnliches, er dachte in letzter Zeit ständig an Liz. Er sah sie vor
Weitere Kostenlose Bücher