Wenn nicht jetzt, wann dann?
beibringen konnte, ein paar Wörter zu schnarren. Dennoch hatte er im Winter damit begonnen, die Vögel zu füttern, und manchmal auch beobachtet, wie sie sich um das Futter stritten, in welcher Reihenfolge sie die Körner aufpickten und welche sie nicht mochten. Und irgendwann hatte er auch angefangen, in dem Buch zu lesen, hatte die verschiedenen Vogelarten unterscheiden gelernt und war nach und nach ein kleiner Ornithologe geworden.
»Wenn ich ein Entenbaby wäre, dann wärt ihr meine Enteneltern, und ihr hättet euch nie getrennt. Weil sich Enten immer liebhaben und zusammenbleiben.«
Simon schluckte. Die Enten konnten das besser, als Paar bestehen bleiben, sich die Aufgaben in der Kinderfrage teilen und, auch wenn jeder mal seiner Wege schwamm, zusammenbleiben, da hatte Leonie durchaus recht.
»Das stimmt. Aber du könntest kein Schokoladeneis essen, du müsstest Schnecken und glitschige Würmer essen und auch im Winter im kalten Wasser schwimmen.«
»Dann bin ich doch lieber ich als ein Entenbaby«, stellte sie fest, stopfte sich ein großes Stück Waffel in den verschmierten Mund und warf das letzte Stück, das sie noch in der Hand hielt, dem Entenpärchen hin, das neugierig darauf zuschwamm.
»So, jetzt haben die wenigstens auch mal was Gutes.«
Annemie ging auf dem Heimweg schnell bei ihrem Edekaladen vorbei. Sie schaffte es gerade noch, bevor er schloss.
Sie hatte überhaupt nichts mehr im Kühlschrank. Ihr beschaulicher Tagesrhythmus von Haushalt, Einkaufen, Backen, Lesen und Dekorieren und wieder Lesen war vollständig durcheinandergeraten. Sie musste schon Listen führen, um sich alles merken zu können. Zur Beruhigung ihrer flatternden Nerven würde sie heute Abend unbedingt etwas backen müssen. Etwas Nerven- und Seelenstärkendes. Und zwar für sich. Zimtschnecken. Der Gedanke an warme Zimtschnecken zum Frühstück war sehr verführerisch. Eine ganze Ladung Zimtschnecken. Ihr schoss durch den Kopf, dass Zimtschnecken im Rosengarten von Herrn Winter bestimmt auch wundervoll schmeckten. Nur, wie würde man die dort aufbacken können? Sie schob den Gedanken beiseite, der hatte hier doch wirklich gar nichts verloren, und ging im Kopf rasch die Zutaten durch, die sie einkaufen musste, damit sie auch nichts vergaß.
Als sie den Laden betrat, johlte Waltraud auf.
»Ohoo! Und sie hat wieder Blumen dabei! Sie war in der Gärtnerei, stimmt’s? Ich möchte auch einmal so einen Gärtner kennenlernen, der mir jedes Mal Blumen schenkt, wenn ich vorbeikomme.«
»Ach«, sagte Annemie. »Das ist überhaupt nicht so, wie du denkst.«
»Was denke ich denn?« Waltraud grinste ihre Freundin kess an, die hilflos mit den Schultern zuckte. »Ach komm, genieß es. Du hast ein paar Blümchen verdient. Wenigstens merkt es mal jemand.«
Annemie lächelte dankbar und legte den Strauß, den Hannes Winter für sie zusammengestellt hatte, bevor sie sich verabschiedet hatte, an der Kasse ab, um dann rasch durch die Reihen zu gehen und alles zu besorgen, was sie brauchte. Eier, Butter, Hefe.
»Was koche ich mir denn heute Abend?«, rief sie Waltraud über die Regalreihe hinweg zu. »Hast du eine Idee? Ich brauche eine Grundlage, bevor ich die Zimtschnecken esse, die ich gleich backen werde.«
»Eine Suppe?«
»Gute Idee. Kartoffelsuppe, das mache ich. Die geht schnell. Und dann lauwarme Zimtschnecken. Oh, wie ich mich darauf freue. Und Stille. Kein Telefonklingeln. Waltraud, du glaubst nicht, wie furchtbar das ist, wenn das Telefon andauernd klingelt, so oft habe ich das im Leben noch nicht gehört!«
Annemie kam mit ihrem vollbepackten Korb um die Ecke gebogen und legte alles vor Waltraud auf das Band, die die Preise eintippte und dann fragte, ob sie den Gärtner denn jetzt um den Finger gewickelt hatte.
»Er macht den Brautstrauß. Ein erster Schritt. Aber ich befürchte, viel weiter werde ich nicht kommen.«
»Und wann gehst du wieder hin?«
Annemie überlegte einen kurzen Moment.
»Meinst du, übermorgen wäre in Ordnung? Nicht zu aufdringlich? Soll ich lieber länger warten? Damit er sich nicht bedrängt fühlt?«
»Also wegen der Hochzeitsangelegenheit solltest du noch ein wenig warten. Frühestens übermorgen, frühestens! Wegen der anderen Sache könntest du auch gleich morgen wieder hin.«
»Welcher anderen Sache?«
Annemie sah sie verständnislos an, und Waltraud rollte die Augen.
»Du bekommst Blumen, du strahlst über beide Ohren, streite es nur nicht ab, es gefällt dir gut bei ihm. Der Gärtner
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