Wenn nicht jetzt, wann dann?
nach hinten gekämmt. Seinen Hemdkragen zierte ein weinrotes Einstecktuch. Als er näher kam, konnte Fabian erkennen, dass eine kleine Perlennadel das Tucharrangement zierte. Gut, dass seine Eltern nicht dabei waren. So wie er seine Mutter kannte, würde sie ihn bestimmt ohne jegliche Hemmung darauf ansprechen, während sein Vater sich weigern würde, so einem Mädchen von Mann auch nur die Hand zu geben. Doch selbst wenn Nina sich dafür entscheiden würde, hier zu feiern, musste das ja nicht heißen, dass man diesen Herrn auch zu Gesicht bekam. Fabian mutmaßte, dass er sich dann in seine Privatgemächer zurückzog. Herr Wagenbach hatte das Schloss vor zwei Jahren gekauft, weil der vorherige gräfliche Eigentümer es nicht mehr unterhalten konnte. Seitdem hatte er das Anwesen gründlich renoviert und vermietete die Räumlichkeiten nun an besondere Gäste mit besonderem Geldbeutel, um den Unterhalt für das Anwesen aufzubessern. Während er sprach, schüttelte er beständig sein Haar mit einer ruckartigen Bewegung nach hinten, doch die streng zurückgekämmten Strähnen fielen ihm beim Reden immer wieder ins Gesicht. Alle fünf Sätze reichte auch das Kopfschütteln nicht mehr aus, und er strich das Haar mit einer betont eleganten Geste zurück, die er bestimmt lange vor dem Spiegel einstudiert hatte. Fabian schätzte ihn auf Mitte bis Ende vierzig und fragte sich, womit Herr Wagenbach wohl so viel Geld verdiente, dass er sich als Schlossherr kostümieren konnte und sich so ein Schlösschen dazu leistete.
»Ich bin gerne dabei, wenn hier gefeiert wird«, verkündete Herr Wagenbach stolz. »Die Gäste haben erfahrungsgemäß viele Fragen, und außerdem wirkt es doch irgendwie persönlicher, finden Sie nicht?« Demnach ließe es sich wohl kaum umgehen, dass sein Vater ihm die Hand schüttelte. Fabian beobachtete, wie Nina fast unmerklich eine Augenbraue hochzog. Vielleicht würde es ihm doch erspart bleiben.
Die Räume waren sehr geschmackvoll renoviert. Das Parkett glänzte, alles war hell und groß und edel, aber nicht prunküberladen. Speisesaal, Ballsaal und einige kleine Salons öffneten sich mit vier Meter hohen Flügeltüren zur Terrasse hin. Das einfallende Sonnenlicht brach sich funkelnd im Facettenschliff des Türglases, und Fabian konnte Nina ansehen, dass es ihr gefiel. Die Veranda selbst neigte sich in einem geschwungenen Halbrund zum Garten hin, wo eine breite Treppe einige wenige Stufen hinab zu einer Rasenfläche führte. Der gepflegte englische Rasen war von einer steinernen Balustrade eingefasst, auf der enorme Steinvasen in regelmäßigen Abständen üppige Blumenarrangements hielten.
Die Kapelle befand sich am anderen Ende des Gartens.
»Man geht einen wunderbaren Weg durch den Apfelhain und die historischen Rabatten, die wir nach alten Pflanzplänen wieder angelegt haben, kommt dann hier über diesen Rasen zurück, um auf der Terrasse mit einem Glas Champagner auf das junge Glück anzustoßen.«
Er schien von seinen eigenen Worten fast gerührt zu sein und führte sie zu der Kapelle, die wirklich sehr malerisch hinter blühenden Apfelbäumen lag.
»Nur den Pfarrer müssten Sie selbst mitbringen. Aber wenn Sie keinen haben, dann springt der Pfarrer der hiesigen Gemeinde gerne ein. Hat er schon ein paar Mal gemacht. Ganz wunderbar jedes Mal, ganz wunderbar.«
Als sie wieder im Auto saßen, um als Nächstes zu dem ehemaligen Weingut zu fahren, waren sie ganz erschöpft von dem Redeschwall des Schlossherrn, und selbst Nina schwieg eine Weile.
»Es ist ein Traum dort, oder?«, sagte sie dann. »Es ist nicht so plüschig romantisch, es hat Stil und es ist wirklich etwas Besonderes. Ich kenne niemanden, der dort schon einmal war. Und man hat auch noch einen Entertainer inklusive für die Verwandtschaft, um die man sich nicht selbst kümmern kann. Es ist nicht so sehr ›Sissy‹, es ist eher ein bisschen ›Großer Gatsby‹, oder? Das gefällt mir. Was meint ihr denn?«
Claus Winter nickte.
»So ungefähr habe ich mir das vorgestellt. Hätte ich gar nicht gedacht, dass es hier in der Nähe so etwas gibt.«
Er warf Annemie Hummel einen anerkennenden Blick zu.
Sie errötete lächelnd.
»Das werde ich Frau Baumgarten ausrichten. Sie hat wirklich ein Händchen für das Besondere.«
»Fabian, was meinst du?«
Nina sah ihn neugierig an.
»Toll«, sagte er. »Toll. Ein Schloss für meine Prinzessin. Aber muss man den Typen wirklich mitmieten?«
Das Weingut lag sehr idyllisch inmitten der
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