Wenn nichts mehr ist, wie es war
verge s sen, dass wir hier nicht zuhause und Besucher deshalb sehr ung e wöhnlich sind.“ Er hatte den Satz kaum beendet, als Susanna z u rück ins Woh n zimmer trat. Sie wirkte verstört. „Schatz, was ist los? Wer war an der Tür?“
„Jake…“ Zwei Männer traten hinter ihr in den Raum.
„Papa? Was ist passiert?“ Beth kon n te jedes Wort genau hören, aber man schien sie vergessen zu haben. „Hallo? Seid ihr noch da?“ Auf einmal konnte sie eine unbekannte Männerstimme au s machen. D r o hend wie ein Gewitter drang sie an ihr Ohr - und die Worte ja g ten ihr Angst ein.
„Polizei. Sie sind verhaftet. Leisten sie keinen wider stand, dann wird I hnen nichts g e schehen.“
„Hallo? Was ist da los?“ Ausser sich vor Verzweiflung schrie Beth in den Hörer. Ob sie jemand bei ihrem verbotenen Telefonat erwischen würde, war ihr i n zwischen gleichgültig. Aber sie erhielt keine Antwort mehr. Elend musste sie mit anhören, wie ihre Eltern abgeführt wurden. Das leise Kl i cken mit dem di e Tür hinter ihnen ins Schloss f iel, was als letzte s hörbar, dann war es still.
„Mama? Papa?“ Beth wusste, dass sie keine Antwort mehr erha l ten würde. Gegen die aufsteigenden Tr ä nen ankämpfend, liess sie lan g sam den Hörer in ihren Schoss sinken.
„Das kann doch nicht sein!“ flüsterte sie. Beth blieb keine Zeit, sich zu beruhigen . Aufgeschreckt d urch Stimmen ausserhalb des Zimmers, rappelte sie sich rasch auf. So gut es ging versuchte sie, den angetroffenen Zustand des Raumes wiederherzustellen. Ger a de, als sie das Licht ausmachen wollte, bewegte sich die Türfalle. Entsetzt drückte sie hastig den Knopf der Tischlampe und schlüp f te wi e der unter den Tisch, in der Hoffnung, dass man sie nicht finden würde. Beinahe gleichzeitig wie sie ihr Bein unter die Pla t te zog, öffnete sich die Tür. Beths Herz schlug ihr bis in den Hals. Das gro s se Licht ging an. Von ihrem Platz aus konnte Beth genau beobachten, wie sich jemand auf den Tisch zubewegte. Sie drückte sich noch mehr an das Schubladenelement und hielt den Atem an. Mit geschlossenen Augen lauschte sie auf weitere B e wegungen. Kurz zuckte sie zusammen als eine St imme die leisen Geräusche übertö n te.
„Oh, da ist sie ja!“
Beth sah sich bereits entdeckt. Zögerlich öffnete sie ein Auge. Aber der erwartete Kopf zu den fremden Füssen tauchte nicht vor ihr auf. Stattdessen entfernt e sich die Person wieder. In deren Hand war eine hü b sche kleine Holzschatulle zu erkennen. Als sich die Tür wieder geschlossen hatte und der Raum im Du n keln vor ihr lag, wagte es Beth, erleichtert au s zuatmen.
„Das war knapp…“ Erneut rappelte sie sich auf und schlich sich aus dem Zimmer. Ohne weitere Zw i schenfälle kam sie in ihrer Kammer an. Inzwischen hatte sie einen Entschluss gefasst. Ha s tig packte sie alle s zusammen, was die Nonnen ihr gelassen ha t ten und schlich sich wieder nach draussen . Leise huschte sie über die dunklen Fluren, bis sie schliesslich bei einer Art Gerät e schuppen ankam. Beth schob die Tür auf und trat ein. Die Erinnerung täuschte sie nicht. Schnell fand sie an der Wand angelehnt das alte Fah r rad, welches sie am Nachmittag entdeckt hatte. Die Tür, vor der sie noch tags zuvor unschlüssig herumg e schlichen war, war wie erwartet nicht verriegelt. Beth stellte fest, dass jene sogar g e ölt worden war, fast so, als hätte jemand gewusst, was geschehen würde. Die Gewissensbisse ignorierend schlüp f te sie schnell in die Freiheit und floh über die unbefestigte Strecke in die finst e re Nacht .
Kapitel 44
Schon bald begann Beth ihren überstürzten Aufbruch zu b e reuen. Der kleine Lichtstrahl, den das Fahrrad auf den B o den vor ihr warf, reichte kaum einen Meter weit und war so schwach, dass sie bei jedem Tritt in die Pedal befürchten musste, einem grösseren Hindernis in unmittelbarer Nähe zum Opfer zu fallen. Ironische r weise gab es davon einige, denn der Weg führte am Rand eines schier undurchdringlichen Waldes entlang. Die Beschwerlichkeit ihres Unterfangens barg aber auch Vo r teile. Sie hatte kaum Zeit, um über die Gefahren nachzudenken. In den kurzen Momenten, in denen Beths Konzentration dennoch nachzula s sen drohte, glomm kurz aber heftig i m mer ein Fünkchen Angst auf. Angst, vor der Dunkelheit, davor, was in dem Wald alles lauerte, Angst, zu stü r zen und sich zu verletzen, Angst, es nicht bis an ihr Ziel zu scha f fen. Nach und nach liessen sie d ie stetige
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