Wenn nur dein Lächeln bleibt
würde.
»Denk daran: Nächste Woche bist du sicher schon mit unserem Baby daheim«, munterte Bernd mich auf. Ich schmiegte mich an seine Schulter und malte mir in allen Einzelheiten aus, wie das sein würde, zu Hause: Gemütlich. Warm. Liebevoll. Zärtlich.
Am vierten Tag führte ein Arzt ein Gespräch mit mir und legte mir nahe, das Krankenhaus zu ver lassen.
»Zu Hause können Sie sich richtig erholen. Wie ich hörte, haben Sie eine Dreizimmerwohnung! Und hier wird jedes Bett gebraucht.«
»Ja, aber darf ich denn schon mit meinem Töchterchen nach Hause?« Ungeahnte Hoffnung, gepaart mit leiser Panik stieg in mir auf. Würde ich das schaffen? Ja, mit Hilfe von Bernd und meiner Mutter bestimmt! Wir wurden nach Hause entlassen! Endlich würden wir eine richtige kleine Familie sein!
»Ihr Kind muss natürlich noch hierbleiben«, mach te der Arzt alle meine Träume zunichte. »Es hatte eine schwere Geburt und muss sich erst noch unter ärztlicher Aufsicht stabilisieren.«
»Ja, aber ich kann doch hier nicht ohne meine Tochter …«
»Nun denken Sie doch mal nicht nur immer an sich!«, herrschte der Arzt mich an. Sein Haar hatte er mit Pomade streng zur Seite gekämmt. »Sie sind überfordert mit der Pflege des Kindes, wie Sie schon mit so einigem hier überfordert waren! Sie stellen hier keine Bedingungen! Seien Sie froh, dass der Staat das für Sie übernimmt!«
»Natürlich. Entschuldigung«, gab ich sofort klein bei. »Ich habe nur solche Angst, es könnten irgendwelche Schäden zurückbleiben …«
»Papperlapapp!« Der Arzt baute sich vor mir auf, was ihn sofort um einige Zentimeter größer erscheinen ließ. »Sie können sich auf unsere Fachkenntnisse und unsere modernen Apparaturen verlassen. Geben Sie der Kleinen noch etwas Zeit, und wenn wir uns melden, holen Sie Ihr kerngesundes, wohlgenährtes Töchterchen bei uns ab.« Er lachte selbstgefällig. »Inzwischen erholen Sie sich und genießen ein letztes Mal die Zweisamkeit mit Ihrem Mann. Machen Sie sich ein paar schöne Wochen.«
» WOCHEN ?« Mir wollten schon wieder die Beine wegknicken.
»So ungefähr. Lassen Sie das mal unsere Entscheidung sein.«
»Aber was kann ich tun, damit sie möglichst schnell … ähm … gesund wird?« Mutlos ließ ich mich auf die Bettkante sinken.
»Bringen Sie jeden Tag Muttermilch vorbei«, beendete der Arzt das für ihn ohnehin schon lange Gespräch und wandte sich zum Gehen. Normalerweise fielen nicht so viele Worte zwischen Arzt und Patientin. Da wurden Anweisungen entgegengenommen und damit basta.
»Schön zu Hause abpumpen und an der Kliniktüre abgeben. Und nehmen Sie mal ein bisschen zu, junge Frau! Sie sehen ja zum Fürchten aus.«
»Aber Herr Doktor! Eine Frage noch! Bitte!«
Unwirsch fuhr der Arzt in der Türe herum. »Was gibt es denn jetzt noch!«
»Darf ich wenigstens mit meinem Mann jeden Tag zur Vatistunde kommen? Wir stören auch nicht. Wir gucken einfach nur durch die Glasscheibe.«
Er stieß ein bellendes Lachen aus. »Besuchszeiten für Neugeborene sind mittwochs und sonntags. Dann können Sie eine Stunde lang vor der Glasscheibe stehen. Wiedersehen!«
Am nächsten Morgen holte Bernd mich um sechs Uhr früh mit der Taxe ab. Ein teures Vergnügen, aber ich war einfach noch zu schwach, um mit Straßenbahn und Bus nach Hause zu fahren. Bis zu unserer Neubausiedlung war es von der Haltestelle noch ein Fußmarsch von zwanzig Minuten.
Bernd verstaute fürsorglich mein Köfferchen im Kofferraum und setzte sich dann neben mich auf die Rückbank. Er legte den Arm um mich und sagte tröstend:
»Keine Sorge, mein Herz, unserem Töchterchen geht es gut im Krankenhaus. Die Ärzte und Schwestern tun, was sie können.«
Als ich den großen kalten Backsteinbau im Rückfenster immer kleiner werden sah, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Da drin lag nun unser Baby, kalten geschäftigen Händen und lauten Stimmen ausgeliefert, ohne die Zärtlichkeit und Wärme, die ich für unser kleines Mädchen im Überfluss besaß, aber ihm nicht geben durfte.
Fröstelnd schmiegte ich mich an meinen Mann. Dafür, dass er erst einundzwanzig Jahre alt war, strahl te er eine ungeheure Reife aus. Ich war so unendlich dankbar, meine Sorgen und Ängste mit ihm teilen zu dürfen.
Zu Hause begann ich sogleich pflichtschuldigst mithilfe der grässlichen Pumpe, die Bernd in der Apotheke besorgt hatte, Milch abzupumpen. Meine Brust war natürlich irritiert. Nach einer Woche Stillpause hatte sich die Milch längst
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