Wenn nur dein Lächeln bleibt
zurückgezogen. Und so war das Abpumpen mit dieser vorsintflutlichen Pumpe, die meine Brustwarzen bis zur Unkenntlichkeit verformte, die reinste Qual. Doch ich biss tapfer die Zähne zusammen.
»Denk an unsere süße Maus, mein Schatz! Jeder Tropfen Muttermilch bringt sie uns ein Stück näher.«
Bernd brachte mir heißen Tee mit Honig und stand mir bei. In seinem jungen Gesicht sah ich den Schock angesichts meines verformten Busens.
»Dass Frauen aber auch so leiden müssen!«, murmelte er. »Erst die Risiko-Schwangerschaft, bei der du dich am Ende kaum noch rühren konntest, dann die Steißlage und schließlich die endlos lange Geburt, bei der du fast gestorben wärst. Und jetzt diese perfide Brustfolter …« Er produzierte ein schiefes Grinsen, doch in seinen Augen schimmerten Tränen. Auch er hatte Angst, auch er litt, versuchte aber, mir Halt zu geben und Zuversicht zu vermitteln.
Zu seinem zwölfstündigen Arbeitstag im Chemiewerk kam jetzt noch der Umweg über das Kranken haus, wenn er zweimal täglich die mühsam ertrotzten Tropfen Muttermilch abgab.
»Du, die Frauen geben da zwei bis drei volle Flaschen am Tag ab. Das schaffen wir auch!, spornte er mich an. Ich dagegen brachte kaum je fünfzig Gramm zustande, und das nach stundenlangen Qualen. Es war alles entsetzlich deprimierend, demütigend und kräftezehrend.
Warum schaffte ausgerechnet ich nicht, was alle Weiber von der Straße schafften?
»Ach, Herz, bald lachen wir darüber!«, tröstete mich mein wunderbarer Mann, küsste mich zum Abschied und griff nach seiner Aktentasche.
War Bernd weg, lag ich kraftlos auf dem Sofa. Sorgen und Schuldgefühle nagten an mir, und mein Körper wollte gar nicht wieder zu Kräften kommen. Nur mit Mühe gelang es mir, auf meinen wackeligen Beinen zum Konsum zu gehen. Dort musste ich dann mitunter stundenlang Schlange stehen, um irgendetwas Essbares für meinen schwer schuftenden Mann zu ergattern.
»Beeilen Sie sich!«, rief eines Tages die Nachbarin durch die geschlossene Wohnungstür. »Im Konsum gibt es heute Tomatenketchup!« Dann rappelte ich mich auf, egal wie elend und schwach ich mich fühlte, und trabte hinterher, um die begehrte Ware zu erbeuten.
Kam Bernd dann abends nach Hause, tischte ich ihm eine liebevoll zubereitete Mahlzeit auf. Eine weitere Portion wärmte ich ihm morgens um halb sechs für seinen Henkelmann auf, damit er mittags noch etwas Lauwarmes in den Magen bekam. Dabei fiel mein Blick durch die offene Tür des Kinderzimmers auf das leere Gitterbettchen und den starr vor sich hin schauenden Teddy.
Ich liebte Bernd so sehr und wünschte mir nichts sehnlicher, als für ihn und unser gemeinsames Kind sorgen zu können.
»Dafür musst du aber erst wieder richtig zu Kräften kommen«, sagte Bernd und musterte mich besorgt. »Deinem Körper wurde so einiges zugemutet. Gönn dir etwas Ruhe, ich werde schon nicht verhungern. Ich kann mir doch mittags auch am Kiosk eine Bemme holen, oder ne Bulette.«
Dass dieses Zeug eher nach Plaste schmeckte, wusste ich aus eigener Erfahrung. Die Kantinenkost in seinem Chemiewerk war im Grunde ungenießbar. Mein armer Bernd! So hatten wir uns das junge Elternglück wirklich nicht vorgestellt!
Nach schier endlosen sechs Wochen durften wir unsere kleine Anja endlich abholen. Wir hatten keine einzige Sekunde der Besuchszeit ungenutzt verstreichen lassen. Schulter an Schulter hatten wir zwölfmal eine Stunde vor dem Aquarium gestanden und unser Kind mit zärtlichen Worten überhäuft.
»Sie spürt das! So geben wir ihr Kraft!«, versicherten wir uns gegenseitig.
Endlich war der ersehnte Tag gekommen.
Wieder nahmen wir uns ein Taxi, denn unserer kleinen zarten Maus war die Fahrt mit der ruckelnden Straßenbahn und dem überfüllten Bus, in dem gehustet und geprustet wurde, einfach nicht zuzumuten. Die Abgase der Trabis und Wartburgs quollen in schwarzen Wolken aus den Auspuffen.
Im Arztzimmer erfuhren wir zu unserer großen Beruhigung, dass mit unserer Anja alles in Ordnung war. »Sie hat sich von der schweren Geburt gut bei uns erholt, sodass wir Ihnen heute ein kerngesundes, gut entwickeltes Kind übergeben können.«
Bernd und ich fielen uns noch vor den Augen des Arztes in die Arme.
»Danke! Danke, Herr Doktor«, stammelte ich immer wieder, und als die Schwester mir mein Kind in die Arme legte, bedankte ich mich bei ihr so untertänigst, als hätte sie es für mich geboren. Bernd steckte währenddessen stumm einen hart erarbeiteten Hundertmarkschein
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