Wenn nur noch Asche bleibt
verwirrenden Veitstanz auf. Sie versuchte, ihr vernunftgesteuertes Alter Ego das Ruder übernehmen zu lassen, doch es verschanzte sich hinter den Mauern ihrer Verblüffung und streikte.
„Nikolai steht in Verbindung mit der Sekte“, hörte sie Daniel sagen.
Von Smith gestützt marschierte er wie ein Zombie den steril beleuchteten Gang entlang. Pfleger, Schwestern und Ärzte begafften ihn tuschelnd. Ohne Frage erschien ihnen seine Genesung wie ein Wunder, doch da er sich laut Formular auf eigenes Risiko selbst entlassen hatte, mussten sie ihn gehen lassen. Möglicherweise, beruhigte sich Elena, war die obligatorische Blutentnahme ausgefallen. Normalerweise gehörte es zwar zum Standard, aber da sie ihn ohnehin für unrettbar verloren gehalten hatten und dies hier eine Rehabilitations-Klinik war, bestand die Möglichkeit, dass man darüber hinweggesehen hatte. Sie hoffte es. Anderenfalls konnten nur Smiths Beziehungen Daniel vor großem Ärger retten.
„Lassen Sie mich eine Stunde mit ihm allein“, hörte sie ihren Partner sagen. „Dann wird er singen wie eine alkoholisierte Nachtigall und ich überreiche Ihnen seine Gliedmaßen auf einem Silbertablett. Nein, warten Sie. In China erfuhr ich von einer ganz besonderen Foltermethode. Man drückt Bambussamen unter die Vorhaut des Opfers und begießt sie mit Wasser. Innerhalb kürzester Zeit bläht sich das Ding auf wie ein Blumenkohl.“
„Nichts werden Sie aus ihm herausquetschen.“ Smith knallte das Formular auf den Tresen des Empfangs und warf der Frau dahinter einen mörderischen Blick zu, der seine Wirkung nicht verfehlte. Nachdem er das erschrockene Keuchen der Krankenschwester zur Kenntnis genommen hatte, drängte er Daniel zum Ausgang. „Sie und Elena werden sich eine Auszeit gönnen. So sieht es aus. Und schauen Sie mich nicht so an, zum Teufel. Das war kein Angebot, das war eine Anweisung. Ich stecke Sie beide ins Zeugenschutzprogramm. Und zwar so lange, bis die Sache erledigt ist. Klar so weit?“
„Niemals!“ Daniel riss sich los und funkelte Smith entrüstet an. „Vergessen Sie’s.“
„Um es mal auf Ihre Art zu sagen: Der Verstand ist wie eine Fahrkarte. Sie ist nur zu was nütze, wenn man sie auch benutzt.“ Smith wuchs um eine Handbreit und umgab sich mit der Aura einer Naturgewalt. „Sie beide werden in dem Hotel einquartiert, das ich für Sie ausgesucht habe, und Sie werden von den Männern überwacht, die ich Ihnen zur Seite stelle. Wir schaukeln das Baby schon. Und wenn es Sie tröstet, ich übernehme das Verhör des Mistkerls höchstpersönlich. Sie sind gerade gestorben, zum Teufel. Das ist ja wohl ein triftiger Grund für ein Päuschen. Ich brauche Sie, Daniel, und ich werde Ihre Gesundheit und Ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel setzen. Sie sind mein bester Hengst im Stall.“
Smiths Blick war der eines Alligators. Elena hegte keinen Zweifel, dass er Nikolai zum Singen und ihren Partner zum Kuschen bringen würde.
„Also gut“, knirschte Daniel zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Von mir aus. Aber ich werde mit Elena in kein Hotel gehen, sondern zu mir nach Hause. Versuchen Sie nicht, mich umzustimmen. Ich weiß selbst, was am sichersten für uns ist. Sie wissen über mich Bescheid, oder?“
„Nun ja, das wäre zu viel gesagt.“
„Meine Sinne sind sehr viel ausgeprägter als die eines normalen Menschen. Aber am besten funktionieren sie in einer Umgebung, die mir vertraut ist. Ergo bei mir zu Hause.“
„Fein. Wenn Sie sich sicher sind, dass es das Beste ist. Aber denken Sie daran: Ohne Ihre Partnerin wären Sie tot. Sie hat Ihnen das Leben gerettet. Also, Elena, wären Sie so nett und bringen diesen notorischen Dummkopf heil nach Hause? Ich kümmere mich um unseren Ehrengast und fühle ihm auf den hohlen Zahn.“
„Sicher doch.“ Sie nickte benommen. „Es sei denn, es macht ihm was aus, sein eigenes Blut zu riechen. Er hat mir nämlich die ganze Rückbank eingesaut.“
„Verzeihung.“ Daniels Lächeln ließ sie jede Verzweiflung und Angst der letzten Stunden vergessen machen. „Ich werde natürlich für die Reinigung der Polster aufkommen. Man erkennt nur, wie dumm man war, aber nie, wie dumm man ist. Stimmt’s?“
„Willkommen zurück, mein geliebter Mönch.“ Elena half ihm beim Einsteigen. Als sich sein Körper für einen winzigen Moment an den ihren drückte, hätte sie am liebsten laut aufgeseufzt. „Es war mir ein Vergnügen, dein Leben zu retten. Ich hoffe, es wird nicht noch mal nötig
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