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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Nähe war greifbar gewesen, real, und ihre Stimme hatte ihm bedeutet, dass Träume mehr waren als Illusion. Sie waren ein Weg, mit Wesenheiten jenseits dieser Wirklichkeit zu reden. Eine Welt zwischen den Welten.
    „Tat es sehr weh?“, hatte er sie gefragt.
    „Ja. Aber es begann mit einem wunderschönen Flug und es endete mit einem. Fühl dich nicht schuldig. Du konntest nichts dafür.“
    „Doch. Ich hätte dich niemals so viele Tage allein lassen sollen. Es tut mir so leid.“
    „Ich liebe dich. Du konntest nichts dafür.“
    „Woran erinnerst du dich?“
    „An Salz und Asche.“
    Er rieb sich die Schläfen und trat vor, bis die schäumende Brandung an seinen Füßen zerrte. Salz und Asche … was bedeutete das? Warum war Mary nach diesen Worten mit Tränen in den Augen in der Dunkelheit seines Traumes untergetaucht, ohne ihm mehr zu verraten? Er grinste bitter und malte sich aus, was Smith dazu sagen würde.
    „Woher haben Sie diese Hinweise?“
    „Von meiner toten Frau. Sie erschien mir im Traum.“
    „Schön. Dann nehmen Sie mal Ihre Prinzessin Leia und statten dem Todesstern einen Besuch ab. Ich sorge währenddessen für genügend Haldol.“
    Der Küstensturm wühlte das Meer auf, ließ es fauchen und toben, als hätte es die Gefühle aus Daniel herausgesogen und in Materie verwandelt. Die Wut fraß ihn auf, doch er durfte es nicht zulassen. Wenn er eines dank Großmeister Zongyou gelernt hatte, dann die Tatsache, dass nichts vergeblich war. Leben war Energie, und Energie konnte nicht vergehen, sondern veränderte sich nur. So wie Wasser gefror, verdampfte und wieder flüssig wurde. Wie verging die Zeit, dort, wo Mary war? Erschien ihr das Warten wie eine Ewigkeit?
    Schatten huschten über den Sand. Oben im Dojo trainierten Nikolai und Jethro auf sich allein gestellt. Er sah ihre schlanken Gestalten hinter der Fensterwand umherhuschen wie Katzen in der Nacht. Daniel zog sich aus, warf Hose und Boxershorts zu Boden, wo sich die schwarze Kleidung scharf vom hellen Sand abhob, und rannte in das Meer hinein. Er tauchte unter, spürte nur kurz eine eisige Kälte, die seine Lungen zusammenzog und ihm den Atem raubte, dann durchbrach er die Oberfläche und begann zu schwimmen. Er schwamm mit kraftvollen, unermüdlichen Zügen. Hinaus in die Finsternis aus Wellen und Sturm. Strömungen zerrten an ihm. Er lieferte sich ihnen mit wütendem Genuss aus, ließ sich von ihnen verführen und weit hinausziehen, bis die Lichter seines Hauses im Toben der Nacht verschwanden. Hier, wo das Land nur noch eine Ahnung war, ließ er sich unter die Oberfläche sinken. So tief, bis der Druck seinen Brustkorb zusammenpresste. Die Stimme in seinem Kopf erklang. Zuerst leise, dann fast ängstlich.
    Kehr zurück! Du musst zurückkehren!
    Gib nicht auf!
    Schwebend im schwarzen Wasser, ließ er alles hinter sich. Körper und Geist vereinten sich und wurden zur höchsten Kraft. Er hörte das träge Dröhnen seines Herzens. Immer langsamer schlug es. Immer langsamer. Das Meer rauschte in seinen Ohren. Körperlichkeit war nur noch eine Erinnerung, sein Geist auf der höchsten Ebene, die ein Lebender erreichen konnte. Nur noch ein winziger Schritt, und er wäre bei Mary. Für diese Momente war er eins mit allem. Nur ein winziger Teil in einem gewaltigen, atmenden Universum und doch mächtiger denn je. Es war so tröstend. So erhaben. Und nicht für Lebende bestimmt.
    Daniel! Sie braucht dich! Kehr zurück!
    Zorn riss ihn in die Wirklichkeit zurück. Er ließ seinen Körper wieder fühlend werden, obwohl alles in ihm danach schrie, sich dem Sog der anderen Welt auszuliefern. Er ließ sein Herz schneller schlagen, bewegte Arme und Beine und strebte hin zu Oberfläche.
    Als er sie durchbrach, brüllte der Sturm mit noch größerer Wut. Das Meer hatte ihn weit hinausgetrieben, vielleicht zu weit, denn er sah nicht einmal mehr den Leuchtturm. Doch Daniel empfand keine Angst. Ungerührt bot er den Elementen die Stirn und begann zu schwimmen. Gegen die Strömung, gegen seine eigene Schwäche. Und gegen den verlockenden Wunsch, sich einfach in die Tiefe sinken zu lassen.
    Er schwamm, bis die Schmerzen seinen Körper zu zerreißen schienen. Bis seine Arme erlahmten und alles in ihm danach schrie, aufzugeben. Doch der Geist und die Kraft einer fremden Seele siegten über das Fleisch. Sie trieben ihn voran. Yard für Yard. Lichter schälten sich aus der Finsternis. Daniel tat einen Schwimmzug nach dem anderen, einen Atemzug nach dem anderen. Die

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