Wenn nur noch Asche bleibt
zu schnell gewesen, als dass er ihr irgendeine Reaktion hätte entgegensetzen können. Mit einem Ruck wurde Nikolai an den Körper seines Lehrers gezogen.
„Du bist noch nicht so weit“, schnurrte Daniel, umklammerte seinen Zögling von hinten und hielt ihm die Klinge an den Hals. Eine schnelle Bewegung, und er hätte ihm die Kehle durchtrennt. „Ließe ich dich jetzt damit trainieren, würden deine Eingeweide mein Dojo einsauen. Frag mich in einem Jahr noch mal.“
Nikolais Atem ging in schweren Stößen. Wie erstarrt war der Junge, als Daniel sich von ihm löste. Er zitterte und bebte wie ein waidwundes Tier, sein glasiger Blick ging ins Leere. Angesichts der deformierten Kampfhose des Jungen begriff Elena plötzlich, was die seltsamen Blicke ob ihres Erscheinens bedeutet hatten. Nikolai brachte seinem Lehrer weit mehr als Ehrfurcht entgegen, und seine körperlichen Reaktionen auf die soeben erlebte Nähe ließen keine weiteren Fragen offen.
„Wir sehen uns Samstag wieder.“ Daniel hängte das Kusarigama in die dafür vorgesehene Halterung und gesellte sich zu Elena. Ohne Frage war ihm Nikolais Unbeherrschtheit nicht entgangen, doch sie schien ihn nicht zu tangieren. „Für heute ist Schluss. Und Sie kommen mit mir.“
Elena spürte den kalten Blick des Jungen auf sich ruhen und war froh, an Daniels Seite das Weite suchen zu können. Um das unangenehme Schweigen zu überbrücken, stellte sie ihm eine Frage: „Irre ich mich, oder war das gerade eine Waffe aus einem Ninja-Film?“
„Das Kusarigama?“ Daniel wuschelte sich mit beiden Händen durch die feuchten Haare. Er tat es ohne jede Affektiertheit. Vielleicht machte gerade das die Sinnlichkeit dieser Geste aus. Ihre selbstvergessene, unaufgesetzte Natürlichkeit. „Da haben Sie recht. Es wurde von den japanischen Samurai benutzt. Mit der Kampfkunst der Shaolinmönche hat es nichts zu tun, aber meine Ausbildung war vielseitig.“ Er führte sie in die offene Küche, wo er die Kanne aus der Kaffeemaschine nahm und eine große, knallrote Tasse für sie befüllte. „Milch? Zucker?“
„Beides“, antwortete Elena und nahm das duftende Gebräu entgegen. „Reichlich. Vielen Dank.“
Er stellte ihr eine silberne Zuckerdose sowie eine offene Milchtüte auf den Tresen. Elena bediente sich, während sie sich beeindruckt umsah. Die Küche war modern und schwarz, der Tresen aus gleichfarbigem Marmor. Eine gewaltige Messinglaterne spendete sanftes Licht und tauchte die dunkelroten Polstermöbel, die Teppiche, Hochzeitsschränke und Sideboards in stimmungsvolles Licht. Eine Oase der Ruhe. Wieder fing das riesige Baldachinsofa ihren Blick ein. Wie gern wäre sie in seinen samtigen Polstern versunken.
„Ich hätte erwartet, dass Sie eher Tee trinken.“
Daniel hob eine Augenbraue, öffnete die Schranktür hinter sich und präsentierte farbenfrohe Packungen.
„Yogi-Tee in allen erhältlichen Sorten.“ Elena lachte. „Klar so weit. Und ich nehme an, die Möbel sind echt?“ Sie nahm einen Schluck Kaffee. Er war derart stark, dass ihre Zunge sich anfühlte wie eine mit Salz bestreute Nacktschnecke. Nichtsdestotrotz schmeckte er fantastisch.
„Echt?“ Daniel lehnte sich gegen den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust. Inspiriert nahm Elena zur Kenntnis, auf welch ästhetische Weise sich seine Haut mit Schweißtropfen überzogen hatte. Winzige Perlen glänzten auf seinen Schultern und in der Vertiefung seiner Kehle. „Sie meinen, ob die Möbel antik sind?“
„Ja.“
„Die meisten sind etwa hundert Jahre alt. Sie stammen aus der Provinz Henan.“
„Fand dort Ihre Ausbildung statt?“
Daniel nickte. Sein Blick musterte sie ungeniert, dann erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Ich hatte also recht mit meiner Vermutung.“
„Womit?“
„Etwas mehr als schulterlang.“ Er deutete auf ihr Haar, das sie diesmal offen trug. „Und damit, dass Sie Kopak Luwi mögen.“
„Kopak was?“
„Von Fleckenmusangs ausgeschissene Kaffeebohnen.“
„Fleckenmusangs?“
„Eine in Südostasien beheimatete Schleichkatzenart“, antwortete er gönnerhaft. „Sehr hübsche Dinger. Leider hat sie ihre Angewohnheit, Kaffeebohnen in Luxusartikel zu verwandeln, mit einem schweren Schicksal geschlagen. Aber keine Sorge. Die Musangs, die diesen Kaffee ausgeschissen haben, lebten frei.“
„Aha.“ Elena zog eine Grimasse. Soweit sie wusste, handelte es sich bei Kopak Luwi um den teuersten Kaffee der Welt. Nicht zu Unrecht. Zwar war eine modrige
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