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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Gelächter. Was für ein Elend. Sie brauchte Abenteuer und Adrenalin. Sie brauchte frische Luft und ein paar Herausforderungen, die sich gewaschen hatten.
    Wie der Mönch, zum Beispiel.
    Verflucht. Er war der sinnlichste Mensch, dem sie je begegnet war. Sie wollte mehr von ihm. Sie wollte ihn fühlen, schmecken, riechen. Seine weich raunende Stimme an ihrem Ohr hören. Sich mit ihm vereinen.
    Elena sank im Sessel zurück und überlegte, sich einen weiteren Kaffee zu besorgen. Der Gedanke war verlockend, andererseits hatte sie bereits drei Becher getrunken, und da sie das Gebräu mit viel Milch und Zucker bevorzugte, rächte sich Unmäßigkeit schnell an ihrer Figur. Violet, ihre liebste Ablenkung, stand seit einer Stunde vor dem Kopierer, jagte eine fünfbändige Strafakte hindurch und würde der Größe des Papierstapels nach zu urteilen noch eine Weile beschäftigt sein. Hin und wieder warf ihre Freundin ihr einen leidenden Blick zu, den Elena mindestens ebenso theatralisch erwiderte. Dieser Tag würde schrecklich werden. Er würde sich wie Kaugummi in die Länge ziehen und sie schleichend zombifizieren.
    Elena nahm das dritte Blatt ihrer Telefonliste in die Hand, als eine schlanke, schwarz gekleidete Gestalt im Raum auftauchte. Ihr klappte der Kiefer nach unten, das Herz setzte zwei Schläge aus. Schreibtische und Kollegen lösten sich in verschwommene Schatten auf. Keine drei Schritte vor ihr stand Agent Daniel Natali.
    Ihr Gesicht pochte heiß. Unwillkürlich liebäugelte Elena mit dem Platz unter ihrem Schreibtisch. Sein Grinsen war, um nicht stärkere Ausdrücke zu bemühen, zweideutig. Ausgeruht sah er aus, jugendlich frisch und wie aus dem Ei gepellt. Die Tatsache, dass er unter seinem Anzug die Darstellung eines mystischen Maori-Wesens verbarg, setzte seiner Wirkung die Krone auf. Noble Hülle, archaischer Kern.
    Hatte sie gestern wirklich mit diesem Mann geschlafen?
    Um sie herum wurde es still. Neunzehn Köpfe drehten sich in Daniels Richtung. Der Anblick erinnerte an eine Touristenhorde, die im Jurassic Park unerwartet einem Raptor in die Quere gekommen war. Respekt der reinsten Art vor natürlicher Dominanz.
    „Sollten Partner nicht zusammenarbeiten?“
    Daniel verwandelte sein Grinsen in ein Lächeln, das Elenas Magen Purzelbäume schlagen ließ. Ihre Kehle zog sich zusammen. Vor ein paar Stunden hatte sie dieses Gesicht noch zwischen ihren Schenkeln erblickt, mit funkelnden Tigeraugen, in denen wilder Hunger lag. Tuscheln und Raunen erfüllten den Raum. Blicke durchbohrten sie wie imaginäre Nadeln.
    „Räum bitte deinen Platz und komm in mein Büro. Ach ja, und bring Latte macchiato mit. Wir wollen es uns doch gemütlich machen.“
    Mit diesen Worten verschwand Daniel aus dem Raum und hinterließ eine Stimmung, die vor Anspannung knisterte. Elena sah sich neunzehn starrenden Augenpaaren ausgesetzt. Das Tuscheln schwoll an, wurde lauter und hektischer, bis ihr Kopf schwirrte und Schwindel sie übermannte.
    „Was hat er gesagt?“, zischte irgendwer. „Sie ist seine Partnerin?“
    „Das ist doch nicht sein Ernst, oder?“ Eine schwarzhaarige Frau mit Zwanziger-Jahre-Frisur erging sich in völliger Konfusion. „Unser Mönch hat eine Partnerin? Ich dachte, Partner mag er höchstens zwischen zwei Toastscheiben.“
    Elena fuhr den Computer herunter, nahm ihre Unterlagen und legte sie ihrem Hintermann auf den Tisch. Der mausgesichtige Auszubildende blickte zerknirscht drein, wagte jedoch nicht, zu protestieren. „Würden Sie das für mich weiterführen?“, säuselte Elena liebreizend. „Bitte.“
    „Okay. Aber vor heute Nachmittag schaffe ich es nicht.“
    „Kein Problem. Und fragen Sie beim Krematorium an, ob eine Ermäßigung drin ist.“
    „Hä?“
    „Das war ein Scherz.“ Elena zwinkerte. „Falls Sie ihn nicht verstanden haben, sehen Sie sich die Fotos des Opfers an.“
    „Okay.“
    Sie nahm ihre Tasche und hielt auf den Kaffeeautomaten zu. Ein paar der ihr zugeworfenen Blicke waren in ihrer Eindeutigkeit geradezu lächerlich. Es bestand kein Zweifel, dass ihr Name ab sofort auf der Abschussliste diverser Kolleginnen stand, die sich vor ihr daran versucht hatten, dem Mönch seine Keuschheit auszutreiben. Seelenruhig füllte sie zwei Gläser mit Latte macchiato und marschierte, ein süffisantes Lächeln vor sich hertragend, in Richtung Treppe. Es wurmte Elena, dass er sie wie eine Bedienstete zum Kaffeeholen verdonnerte, aber in diesen Blicken zu baden war es wert. Oh ja, sie genoss es.

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