Wenn nur noch Asche bleibt
mit einem kranken Irren zu tun hatten, dessen Waffe die unschöne Eigenschaft besaß, genau auf deinen Kopf zu zielen.“
„Ich weiß.“ Elena fühlte sich zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Die Tatsache, dass Daniel ihr das Gefühl vermittelte, sie sei ein kleines Gör und er der weise Oberstudienrat, nagte an ihrer Beherrschung. Sie hatte sich unsäglich dumm angestellt. Diese Tatsache war leider unumstößlich.
„Hör zu“, druckste sie herum. „Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren ist, okay? Ich weiß es nicht. Es platzte einfach aus mir heraus. Und dass ich meine Waffe im Auto gelassen habe, war idiotisch. Sag’s Smith nicht. Sonst strafversetzt er mich gleich noch mal, und zwar in das winzigste Kaff, das Alaska zu bieten hat.“
Daniel stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. „Ich sage ihm nichts. Aber mir wird schlecht bei dem Gedanken, was hätte passieren können. Die Floskel, ich fühle mich etwas zerstreut, wäre von dir um ein Haar wortwörtlich genommen worden. Ich bin schnell, aber nicht schneller als eine Kugel. Du hast verdammtes Glück gehabt.“
Elena nickte kleinlaut. „Danke.“ Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Denn eins stand fest: Nicht nur sie hatte verdammtes Glück gehabt. Wäre diese Sache weniger glimpflich ausgegangen, hätte sie sich freiwillig nach Alaska versetzen lassen.
„Nichts zu danken“, erwiderte Daniel. „Aber nächstes Mal antworte bitte so, wie man es dir beigebracht hat, in Ordnung? Kranke bewaffnete Irre beleidigt man in den meisten Fällen nur ein Mal. Aber wie sagt man so schön? Gehe mit Menschen wie mit Holz um. Um eines wurmstichigen Zweiges willen würdest du nie den ganzen Stamm wegwerfen. Irgendwie bezweifle ich, dass du dich wegen mir ändern wirst.“
„Na toll.“ Elena rieb sich die Schläfen und nickte wieder. Inzwischen fühlte sie sich wie einer dieser idiotischen Wackelhunde. „Das Blödeste an der Sache ist, dass ich es eigentlich besser hätte wissen müssen. Der letzte Ehestreit, zu dem ich gerufen wurde, war ähnlich abgefahren.“
„Was ist passiert?“
„Alles war voller Blut. Es sah aus, als hätte man einen Ochsen gesprengt. Die Ehefrau stand besudelt in der Tür und begrüßte mich mit den Worten: Ich glaube, ich habe das Pizzamesser in meinem Mann vergessen.“
Daniel warf den Kopf zurück und lachte. Er schüttelte sich so vergnügt, als kämen sie von einer Feier, nicht von einem Drama. Irgendwann, als sein Amüsement wieder in Ernst überging, sah er sie durchdringend an. Elena versteifte sich und spürte Unsicherheit aufsteigen. Was bedeutete das nun schon wieder? Sie hasste die Art, wie er sie sondierte. Als könnte er alles über sie in Erfahrung bringen, wenn er sie nur lang genug anstarrte.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass du aus ähnlichen Verhältnissen stammst, wie wir sie eben gesehen haben?“
„Was?“ Sie errötete. Scham und Wut hielten sich die Waage. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
„Ich habe gesehen, wie du reagiert hast. Aber du hast recht, es geht mich nichts an.“
Elena warf einen Blick auf das Haus, in dem sich ihre Wohnung befand. Wie friedlich es aussah mit seinen roten Backsteinen und den weißen Fensterrahmen. Sie hatte immer davon geträumt, an einem Hafen zu wohnen, die Möwen und die Boote zu sehen und morgens vom Pfeifen der Schiffssirenen geweckt zu werden. Dieser Traum hatte sich erfüllt, so wie viele andere, unerreichbar scheinende Träume. Und doch sträubte sich alles in ihr dagegen, allein in diesem Traum zu sein.
„Die ersten siebzehn Jahre meines Lebens habe ich in einem Viertel in Detroit verbracht, in das niemand freiwillig einen Fuß setzt.“ Elena begann wie von selbst, zu erzählen. Es musste raus. Heute oder nie. „Meine Mutter zog mich allein groß, von meinem Vater weiß ich nur, dass er noch vor meiner Geburt nach Ägypten zurückgekehrt ist. Ich habe mich aus eigener Kraft aus den miesen Verhältnissen freigekämpft und im Nachhinein betrachtet bin ich dankbar für diese Lebensphase. Sie hat mir Bescheidenheit beigebracht und dafür gesorgt, dass ich Annehmlichkeiten wie schöne Kleider, gutes Essen oder regelmäßige Kinobesuche nicht als selbstverständlich ansehe. Ganz abgesehen davon, dass mich der Kampf stark gemacht hat. Aber wenn ich bestimmte Gegenden sehe, kommt mir die Galle hoch. Irgendetwas läuft auf diesem Planeten mächtig schief. Kein Mensch sollte so leben müssen.“
Ein Lächeln zierte Daniels
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