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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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erneut zu fühlen. Aber liebte sie ihn? War Liebe nicht etwas, das auf Vertrauen beruht? Eine komplizierte Köstlichkeit, für die Sex nur ein Gewürz ist? Und war es nicht verdammt noch mal absolut unangebracht, jetzt darüber nachzudenken?
    „Sie sollten ihn lieben“, sagte die Frau. „Er ist nicht wie die anderen. Und es gibt viel zu wenige, die so sind.“ Hasserfüllt nickte sie zu dem bewusstlosen Mexikaner hinüber. „Ich habe schon Dutzende wie ihn kennengelernt. Männer, die sich nur gut fühlen, wenn sie Schwächere erniedrigen können. Die es als Beweis ihrer Männlichkeit nehmen, Frauen zu vergewaltigen und Kinder zu schlagen. Ich hätte ihn töten sollen. Ich hätte ihn töten sollen, als er mich das erste Mal …“
    Ihre Stimme versagte. Sie starrte ins Leere, mit hängenden Schultern und trübem Blick. Elena griff nach den Schultern der Frau, doch die stieß ihre Hände mit verblüffender Kraft beiseite.
    „Seht nach Kim“, flüsterte die Mexikanerin. „Sagt ihr, dass alles in Ordnung ist. Sagt ihr, dass ich okay bin.“
    Elena nickte. Ihre Knie zitterten, als sie aufstand und zu dem Zimmer hinüberging, in dem Daniel verschwunden war. Er saß auf dem Bett. Lächelnd und leise redend. Unter einer bunt karierten Decke hockte zusammengekauert ein Mädchen. Ihre Augen waren rot vom Weinen, ihr linker Oberarm und eine Wange dick angeschwollen. Hatte der Mistkerl auch sie geschlagen? Alles in ihr schrie danach, in das Zimmer zu stürmen und das Mädchen danach zu fragen, um anschließend guten Gewissens zu dem bewusstlosen Mexikaner zurückzukehren und ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen. Doch sie tat es nicht. Matt sank sie neben der Tür gegen die Wand und hörte Daniels Stimme zu. Nur manche Worte verstand sie.
    „… er kam, weil ein weißer Vogel ihm den Weg gezeigt hat … viele Jahre, während denen … als er ging, war er nicht mehr der Junge, der in den Tempel gekommen war … fand, was er verloren hatte …“
    „Wurde er wieder glücklich?“, fragte die helle Kinderstimme. „Sag, dass er glücklich wurde.“
    Elena biss sich auf die Fingerknöchel, um nicht aufzuschluchzen.
    Die Luft war geschwängert vom Geruch nach Blut und Alkohol. Dort hinten im Wohnzimmer saß die Mutter des Kindes und war am Leben zerbrochen. Diese Geschichte würde nicht gut enden. Sie konnte nicht gut enden. So wie Millionen andere. Tag für Tag und Jahr für Jahr.
    „Ja“, antwortete Daniel. „Er wurde wieder glücklich.“
    „Was geschah mit dem weißen Vogel?“
    „Der Junge nahm ihn mit. In den Bergen, wo der Tempel stand, gab es heiße Sommer und kalte Winter. Deshalb konnte der Vogel auch weit weg von seiner Heimat leben. Manchmal besuchte er den Jungen, aber meistens flog er durch die Wälder. Oder er saß auf einem Ast und beobachtete seinen Freund, der durch ihn wieder erfahren hatte, was Glück bedeutet.“
    „Gibt es den Vogel wirklich? Kann ich ihn sehen?“
    Daniel antwortete so leise, dass sie ihn nicht verstand. Elena schloss die Augen. Müdigkeit überfiel sie, die nichts mit dem Bedürfnis, zu schlafen, zu tun hatte. Als sie die Augen wieder öffnete, stand Daniel vor ihr. Trost ging von seinem Gesicht aus. Es anzusehen, vermittelte Frieden und Ruhe. Nachdem er eine Weile reglos vor ihr gestanden hatte, breitete er andeutungsweise die Arme aus. Es war eine scheue Geste, ein zarte, subtile Einladung, und Elena nahm sie voller Verzweiflung an. Plötzlich fand sie sich an ihn gepresst wieder, zitternd und weinend wie die Mexikanerin zuvor.
    Ihre Finger gruben sich in Daniels Haar, während sie schluchzte, und er tat nichts anderes, als sie festzuhalten. Schweigend und unerschütterlich. Eine lebende, atmende Zuflucht.
    „Habe ich mich verhört, oder hast du das wirklich zu ihm gesagt?“
    „Was?“ Elena biss sich auf die Unterlippe und starrte auf das Schildchen, das an der Klappe des Handschuhfachs prangte.
Testamentvordrucke finden Sie im Handschuhfach.
Typisch Daniel. Und typisch war es für ihn vermutlich auch, dass er es an manchen Abenden vorzog, sich in seinem eigenen Dienstwagen von ihr herumfahren zu lassen. So konnte er besser nachdenklich aus dem Fenster starren.
    „Ich darf dich zitieren: Ganz toll. Sind Sie bescheuert, oder was?“
    „Oh.“ Elena kaute auf dem Fingernagel ihres Daumens herum. Ihr rechtes Bein begann, nervös auf und ab zu wippen. „Ach das.“
    „Ja, das. Ich würde sagen, das war eine unvorteilhafte Entgegnung, betrachtet man die Tatsache, dass wir es

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