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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Gesicht. Himmel, es schrie geradezu danach, geküsst und berührt zu werden.
    „Tja, gegen menschliche Destruktivität kommen nicht einmal himmlische Mächte an.“
    „Wohl wahr. Und wie es aussieht, endet es erst mit der Apokalypse.“
    Sag es, flehte sie innerlich. Sag, dass du mit hochkommst. Ich bin verwirrt. Ich bin am Boden. Und ich brauche Trost. Sieh mich an und sag es, du gottverdammter Mönch. Der Tiger sehnt sich danach, gestreichelt zu werden.
    „Was ist mir dir?“, fragte sie. „Wie bist du aufgewachsen?“
    „Das ist unwichtig.“
    „Seelenstriptease gegen Seelenstriptease. Komm schon. Wenn du nichts über deine Kindheit und Jugend ausplaudern willst, okay. Aber kannst du nicht ein wenig über deine Zeit im Kloster erzählen? Falls du es noch nicht mitbekommen hast, ich bin verdammt neugierig, was das betrifft.“
    Er schüttelte den Kopf, während das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand.
    „Woher kannst du spanisch?“ Vielleicht half der Weg durch die Hintertür. „Das klang ziemlich perfekt.“
    „Mein Vater bestand darauf, dass ich mehrere Sprachen lerne.“ Sein Blick verfolgte eine Motte, die über die Windschutzscheibe flatterte. „Er hielt notorisches Büffeln für den wichtigsten Zeitvertreib eines Kindes. Freunde, mit denen man sich am Strand oder sonst wo dreckig machte, waren seiner Meinung nach Zeitvertreib für Pöbel-Nachwuchs.“
    „Klingt, als wärst du in einem goldenen Käfig aufgewachsen.“
    „So könnte man es bezeichnen.“
    „Lass mich raten, dein Vater ist nicht damit einverstanden, dass du Kugelfänger spielst.“
    „Wir haben seit Längerem keinen Kontakt mehr.“ Seine Stimme klang emotionslos. Offenbar schmerzte diese Erinnerung nicht allzu sehr. „Ich suchte mir einen unwürdigen Job, nahm mir eine unwürdige Frau und wohnte mit ihr in einem Holzhaus am Strand, das weniger als dreißig Zimmer und nur eine Garage besaß. Das konnte mein Vater nicht ertragen. Endgültig aus war es für mich, als er nicht zu Marys Beerdigung erschien. Stattdessen schickte er eine maschinengeschriebene Beileidskarte. Unterzeichnet von seiner Sekretärin mit den Worten ‚nach Diktat verreist’.“
    „Das ist böse.“
    Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal ist der Kampf von oben nach unten genauso schwer wie umgekehrt. Sag mal, Elena …“ Als er sich vertraulich zu ihr herüberbeugte, konnte sie sein Aftershave riechen. Frisch, herb und auf angenehme Weise holzig. „Hast du Träume, die immer wiederkehren? Sonderbare Träume?“
    „Warum?“
    „Sag’s mir einfach.“
    Sie überlegte eine Weile. „Hatte ich. Früher mal. Inzwischen kann ich mich an die meisten Träume kaum noch erinnern.“
    „Worum ging es?“
    „Es war nichts Besonderes. Ich rannte durch die Straßen einer seltsamen Stadt. Die Häuser schienen aus Sandstein oder so etwas gebaut zu sein. Es gab weder Autos noch Fahrräder noch sonst was Modernes. Ich war auf der Flucht.“
    „Vor Feinden?“
    „Nein. Eher so, wie man vor einer Feier flüchtet, die einen fürchterlich nervt. Ich ließ die Stadt hinter mir und rannte in den Wald. Er war dicht und feucht, fast wie ein Dschungel. Es war herrlich, in ihm herumzulaufen. Ich wusste genau, wo sich mein geheimer Pfad befand. Selbst im Dunkeln. Ich lief einfach immer weiter, immer weiter. Bis ich zu einem Fluss kam. Dort wartete jemand auf mich.“
    „Wer war es?“ Sein Blick wurde seltsam. Starr und ungeduldig. „Konntest du ihn erkennen?“
    „Nein. Jedes Mal, wenn er auf mich zutrat, wachte ich auf. Außerdem war es in diesem Traum niemals hell. Entweder herrschte Nacht oder es dämmerte gerade.“
    Er nickte nachdenklich. „Gab es noch andere Träume dieser Art?“
    Elena schüttelte den Kopf. „Nein, warum interessiert dich das?“
    „Nur so. Ich fahr dann mal. Es ist schon spät. Oder sagen wir früh.“
    Seine Worte taten weh, doch sie antwortete mit einem Nicken. Vielleicht würde ihn die Aussicht auf einen Kaffee locken? Oder auf einen Tee? Verdammt, sie wollte nicht allein sein.
    „Willst du so spät noch die weite Strecke fahren?“ Sie hatte enttäuscht klingen wollen, doch was da aus ihr heraus kam, war ein sehnsüchtiges Flehen.
    „Ja“, antwortete er. „Wir sehen uns morgen Vormittag, in Ordnung?“
    Elena nickte. Ohne ein weiteres Wort stieg sie aus, warf die Tür hinter sich zu und sah ihn davonfahren. Gemeinsam mit der Hoffnung auf tröstende, sie die Welt vergessen lassende Nähe.

    Greg, der Mann mit den toten Augen, saß

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