Wenn nur noch Asche bleibt
an seinem Teakholz-Schreibtisch und blickte zu ihm auf. Das Zimmer, holzvertäfelt und ausgestattet mit dunklen Möbeln aus dem England der viktorianischen Zeit, wurde lediglich vom Schein zweier dicker Stumpenkerzen erfüllt. Ob Greg mit seinen toten Augen dieses Licht sehen konnte? Oder hätte es ebenso gut völlig finster sein können?
„Sir.“ Er verneigte sich tief und ehrfurchtsvoll. So, wie das Oberhaupt es mochte. „Sie riefen nach mir?“
„Wie weit bist du?“, antwortete seine sonore Stimme.
„In der Zielgeraden. Es fehlt nur noch eine winzige Komponente. Aber ich habe eine Anemone gefunden, die bestens geeignet zu sein scheint.“
„Eine Anemone?“ Greg lachte. Zärtlich streichelte er über das Fell der Kartäuserkatze, die schnurrend in seinem Schoß döste. „Wie originell. Tu, was immer du tun musst. Für das letzte und reinste aller Opfer muss alles vollkommen sein. Die Frau, die wir zuletzt erlösten, hatte Schmerzen. Schlimme Schmerzen. Sie schrie, während sie brannte, und sie löste Zweifel unter meinen Kindern aus, die ich so kurz vor unserem Ziel als sehr beunruhigend empfinde.“
„Alles wird vollkommen sein.“ Er verneigte sich ein weiteres Mal. Diesmal noch tiefer als zuvor. „Und ich möchte noch einmal betonen, dass ich bereit bin.“
„Bereit?“ Greg tat, als wüsste er nicht, worum es ging. Irritiert blickte sein Schüler auf.
„Ich bin bereit, als reinstes aller Opfer zu sterben“, fügte er hinzu, während eine dumpfe Ahnung seinen Magen zusammenzog. „Ich dachte, es wäre meine Aufgabe. Sie nannten mich Ihren ergebensten Schüler.“
„Oh.“ Greg legte zwei Finger unter sein Kinn und nickte bedächtig. „Ja, das tat ich. Aber damit meinte ich nie, dass du es sein wirst, der uns erlöst. Ich habe eine Seele gefunden, die weitaus reiner ist als deine. Nein, sie ist die vollkommenste Seele auf Gottes Erden. Sie wurde gebrochen, in die Erde gestampft und vernichtet, doch sie stieg wieder auf, strahlender als alles, was ich jemals erblicken durfte. Bereits in diesem Dasein ein Phönix, der in alles blendender Schönheit aus seiner eigenen Asche wiederaufersteht. Diese Seele ist es, die ich als reinstes aller Opfer bestimme. Denn nur ihre Reinheit ist groß genug, um uns alle zu erlösen. Der Zeitpunkt ist nah. Der Wechsel steht unmittelbar bevor. Spürst du es, mein Sohn? Die Zeit läuft immer schneller. Sie läuft schneller und schneller und wird Wahnsinn in denen heraufbeschwören, die noch nicht bereit sind, in die neue Ära zu gehen. Angst und Gier überschwemmt diese Welt. Mordlust, Gefühlskälte und Leere. Aber bald ist das alles vorbei. Bald werden wir alle erlöst.“
Greg setzte die Katze auf dem Boden ab, zog eine Schublade seines Schreibtischs auf und nahm ein Foto heraus. Als er es hochhob und umdrehte, zuckte sein Schüler zusammen. Ungläubiger Schrecken ließ ihn schwanken. Eis sickerte durch jede Zelle und tastete sich in seinen Verstand vor. „Nein“, kam es wispernd über seine Lippen. „Niemals.“
„Du wirst es tun. Bring mir diese Seele. Bring sie mir, und mein Dank wird für immer dir gehören.“
„Nein.“ Wut zerfraß Entsetzen. Empörung. Ein bitterer Cocktail jagte durch seine Adern, beinahe stark genug, um seine Ehrfurcht vor dem Oberhaupt zu verlieren. „Ich kann es nicht. Nicht diese Seele. Warum er?“
„Weil es von Anfang an deine Aufgabe war“, sagte Greg mit kaltem Blick. „Was glaubst du, warum du hier bist? Ich habe dich ausgewählt, weil du ihm nahestehst. Tu es oder für dich gibt es keine Erlösung. Ebenso wenig wie für Ria, falls sie versagt.“
„Ria?“
„Ich habe sie parallel auf ihn angesetzt. Diese Jagd wird nicht einfach werden. Sie ist eine wahre Königsdisziplin und wird zeigen, wie fähig ihr seid. Versagst du, bleibst du zurück und wirst wie alle anderen Unwürdigen dem Wahnsinn verfallen. So oder so ist das Schicksal.“
Eine Träne lief über seine Wange. Er nahm das Foto entgegen, drückte es an sich und spürte, wie er den Kopf schüttelte. Niemals … niemals … nicht diese Seele!
„Bist du bereit, für ihn alles aufzugeben, wonach du strebst?“ Gregs Stimme schnitt in seine Seele wie eine Klinge ins Fleisch. Die blaue Katze strich an seinen Beinen vorbei. Am liebsten hätte er ihr einen Tritt verpasst, einfach nur, weil ihr Gregs Liebe gehörte. „Willst du deine Freiheit gefährden? Deine Erlösung?“
„Nein.“ Seine Kehle war ein einziger Schmerz. „Aber ich kann es nicht
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