Wenn nur noch Asche bleibt
über das Geschehen. Zu schade. Wäre es nicht so gewesen, hätte sie sich einen weiteren Kuss geholt. Es wäre vielleicht hilfreich gewesen, was die Überwindung ihrer Ängste anbelangte.
„Ich hasse Höhe.“ Elena warf einen argwöhnischen Blick in die Tiefe. Es mochten gut fünfzig Yards sein, die sie vom Strand trennten. Teilweise war die Felswand senkrecht, wies kaum Möglichkeiten zum Festhalten auf und besaß einige Überhänge. Ein Teil ihres Gehirns beschäftigte sich mit den Auswirkungen eines Absturzes, der andere analysierte kaltschnäuzig die ersten Informationen: An dieser Stelle bestand der Strand aus Kies. Und Kies bedeutete, dass es keine Fußabdrücke gab.
„Dir kann nichts passieren.“ Daniel prüfte den Sitz von Smiths Geschirr, der die ruhigen Momente nutzte, um fantasievoll seinen Leibesumfang zu verfluchen.
„Ach ja.“ Sie grinste leidvoll. „Und warum?“
„Weil ich bei dir bin.“
Elena schnaufte. Eine holde Jungfrau, die es zu beschützen galt, würde sie ihm nicht bieten. Viele Schlachten waren bereits von ihr geschlagen worden. Diese verdammte Klippe war eine der harmloseren. Nach allem, was sie in ihrem Leben bewältigt hatte, wäre es doch gelacht, wenn sie dort nicht hinunterkam. Vorsichtig begann sie, sich abzuseilen, hielt jedoch inne, als sie sah, dass Daniel seinen Abstieg ohne Geschirr in Angriff nahm – nur geschützt von einem Seil, an dem er sich festhielt.
„Bist du irre? Das hier ist kein Klettergerüst, sondern eine Steilwand des Schwierigkeitsgrades drei. Mit Tendenz zu vier.“
„Du kennst dich mit der Kletterei aus?“
„Ich nicht, aber ein früherer Kollege. Inzwischen ist er tot. Ich muss wohl nicht weiter ausführen, warum.“
„Keine Sorge.“ Er grinste und legte knapp fünf Yards in freiem Fall zurück, um sich knapp neben Elena wieder abzufangen. Spielerisch wich er ihrer zuschlagenden Hand aus. „Mir kann nichts passieren. Und falls ich abstürze, habe ich vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten als Krankenschwester.“
„Du hast doch nicht mehr alle Latten im Zaun!“ Dieser Kerl machte sie fertig. Ihre Nerven waren ohnehin bis zum Zerreißen gespannt, und dank Daniel würden sie vermutlich reißen. „Hör auf mit dem Scheiß. Wenn du mich beeindrucken willst, dann bekoche mich.“
„Ich bin jahrelang ohne Hilfsmittel in den chinesischen Bergen herumgeklettert.“ Er legte auf reizende Weise den Kopf schief. „Aber ich bekoche dich gern mal. Es wäre mir ein Vergnügen.“
Spielerisch baumelte er mit einer Hand am Seil, während er mit der anderen nach ihr fingerte. Elena schlug seine Hand beiseite. Der Anblick ihres ungesicherten Partners und des tief unter ihr liegenden Strandes brachten ihr Fass zum Überlaufen. Sie schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als Daniel mit einem Arm ihre Taille umfasste.
„Alles in Ordnung?“ Schlechtes Gewissen schwang in seiner Stimme mit. „Tut mir leid, das war nicht nett von mir.“
„Nein, war es nicht.“
„Geht’s wieder?“
„Hm, hm.“
Stück für Stück seilten sie sich ab, aneinandergeklammert wie Äffchen. Nein, korrigierte sie sich. Daniel war die personifizierte Gelassenheit, während sie den Part des Äffchens übernahm.
„Stresssituationen sind nicht dein Ding, was?“
Er schien ihre Nähe zu genießen. Und zum Teufel, irgendwo unter ihrer mühsam unterdrückten Panik tat sie dasselbe. Wie waren noch mal seine Worte? Ich fühle mich bei dir unglaublich wohl …
Wärme drang durch ihre Schutzkleidung. Vielleicht war es auch Einbildung. Als sie tief einatmete, drang der frische Duft seines Aftershaves in ihre Nase.
„Lass locker, Sweetie. Entspann dich.“
Sweetie? Aber sonst ging es ihm gut. „Halt die Klappe.“
„Liege ich richtig, wenn ich vermute, dass Höhe nichts für dich ist?.“
„Ja, du liegst richtig. Aber dumm quatschende Partner sind noch weniger was für mich.“
Verbissen kämpfte Elena um Contenance. Ein tiefes Durchatmen erlaubte sie sich erst, als ihre Füße festen Boden berührten – und zwar nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sie ein Dutzend Gebete und an die zwei Liter Schweiß losgeworden war. Nachdem Daniel ihr mit galanter Zuvorkommenheit aus dem Geschirr geholfen hatte, widmete er Smith seine Aufmerksamkeit. Wie eine fette olivfarbene Spinne baumelte der Lieutenant ungefähr zehn Yards über ihnen an der Felswand und fluchte ununterbrochen.
„Mir fiel gerade etwas ein“, sagte Elena. „Du kennst doch diese
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