Wenn nur noch Asche bleibt
wie Lava schoss sie aus dem Gefängnis ihrer Angst hervor. Elena ballte die Hände zu Fäusten, holte tief Luft und zückte ihre Waffe. Sie war schnell, blitzschnell. Doch als der Lauf des Revolvers auf Durats Stirn zielte, lächelte er nur.
„So viel Mut. Das gefällt mir. Es wird meinen Hunger für lange Zeit stillen. Und wenn Sie in meiner Gewalt sind, wird er von ganz allein zu mir kommen.“
Elena gelang es nicht mehr, zu schießen. Sie sah nicht einmal, wie Durat auf sie zuschoss. Er war schneller als ein Schatten. Plötzlich sauste eine Faust auf sie zu und traf sie an der Schläfe.
Ein Knall wie von splitterndem Holz. Schreie. Etwas Kaltes an ihrem Hals. Elena wurde hochgezerrt, an einen warmen Körper gedrückt und zurückgezerrt.
„Lassen Sie die Frau los!“, brüllte eine Stimme. „Runter mit der Gabel! Lassen Sie sie los, oder wir schießen.“
Elena blinzelte. Schlaff hing sie im Griff eines Mannes, an dessen Namen sie sich eine Sekunde später erinnerte: Tony Durat. Sie erkannte das alte, gediegene Haus. Vor ihr stand Daniel. Flankiert von seinem Team. Ein Dutzend Waffen zielten auf Tony – und damit auch auf sie. Elena wagte kaum, zu atmen. Der Gesichtsschutz ließ lediglich Daniels Augen frei, doch genügte dieser Anblick, ihre in Angst aufgelöste Seele mit etwas Hoffnung zu füllen. Dieses sanfte, warme Braun. Würde sie es zum letzten Mal sehen?
„Lassen Sie sie los!“
„Niemand wird schießen. Das lässt du nicht zu. Du liebst sie.“
Tonys Stimme klang säuselnd, geradezu trunken vor Gier. Er drückte die Gabel so fest an ihren Hals, dass Elena glaubte, die Haut müsse unter dem Druck der scharfen Zinken nachgeben. Eine Kuchengabel. Durch so etwas zu sterben sah ihr ähnlich. Das Ding würde ihr die Halsschlagader zerfetzen. Ein schmerzhafter, scheußlicher Tod. Elena begann zu schluchzen. Es war unmöglich, noch Kontrolle zu wahren.
„Sie sollten bedenken, dass wir immer eine vernünftige Kosten- und Nutzenrechnung kalkulieren. Dazu gehört, ein Leben zu opfern, um einen kranken Irren dingfest zu machen.“
Daniels Stimme war von emotionsloser Kälte. Sie war so kalt, dass Elena für einen Moment glaubte, er meine diese Worte ernst.
„Sie haben drei Sekunden!“, schrie ein anderer Mann aus dem Team. „Lassen Sie die Frau los oder wir erschießen sie beide.“
Tonys Körper in ihrem Rücken begann zu zittern. Seine Unsicherheit weckte Hoffnung wie auch Angst, denn Unsicherheit bedeutete entweder Aufgabe oder Verzweiflungstat. Elenas Atem schien in einem inneren Vakuum widerzuhallen. Dies musste das Fegefeuer sein. Diese kurzen, endlos langen Momente, in denen das Schicksal zwischen Tod oder Rettung entschied.
Plötzlich verpasste man ihr einen groben Stoß. Elena taumelte mehrere Schritte, prallte gegen Daniels Brust und wurde von seinen Armen aufgefangen. Wimmernd presste sie sich an ihn. Die Härte seiner Schutzrüstung drückte sich gegen ihre Wange und Brust.
Schüsse krachten. Stimmen brüllten.
„Dieses Arschloch gehört mir.“ Sie spürte Daniels Finger durch ihr Haar streichen. „Bist du in Ordnung?“
„Ja“, brachte sie hervor.
„Gut.“ Er schob sie in Smiths Arme. Ein letzter Blick – dann fuhr er herum und nahm die Verfolgung auf.
Verdammt, dieser Mann rannte, wie er niemanden zuvor hatte rennen sehen. Vermutlich gab ihm die Macht der Kristalle die Fähigkeit, trotz seiner zerstörten Augen seine Umgebung zu sondieren. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze flankte und kletterte Durat über Zäune und Hecken, überwand Holzstapel mit mühelosen Sprüngen und legte, als sie eine von Menschen bevölkerte Straße überquerten, einen wilden Slalomlauf hin. Daniel heftete sich an seine Fersen.
Als er nach zehnminütiger Jagd eine hohe Mauer überwand, federnd auf dem Asphalt landete und sich umsah, war der Rest des Teams weit zurückgeblieben. Seinem von Adrenalin gesättigten Verstand war diese Tatsache egal. Er rannte weiter. Unermüdlich wie ein Jagdhund. Eine Frau kreischte, als er sie beiseitestieß. Längst hatte seine Wahrnehmung auf Raubtier umgeschaltet. Mit der Waffe in der Hand folgte er Durat durch einen kleinen Park, jagte ihn durch Gassen und Straßen. Sein Blut kochte. Das erste Mal seit seiner Ausbildung im Kloster traf er auf einen Gegner, der ihm ebenbürtig war. Der ihm all seine Fähigkeiten abverlangte und seine volle Konzentration forderte.
Furchtlos stürzte sich Durat in den Verkehr einer viel befahrenen Straße. Wie ein Hase
Weitere Kostenlose Bücher