Wenn nur noch Asche bleibt
wich er den bremsenden, schlingernden Wagen aus, erreichte die andere Seite, sprang über eine Begrenzungsmauer und tauchte in einer Menschenmenge unter.
Verdammt!
Daniel wich dem ersten Wagen aus, dann dem zweiten. Der dritte raste auf ihn zu wie eine Dampflok, bremste kreischend, wirbelte herum und streifte sein Bein. Die Ausweichaktion verzögerte sich um den Bruchteil einer Sekunde, ehe er sich geschmeidig über die Motorhaube abrollte. Ein stechender Schmerz zuckte durch sein Bein. Er ignorierte ihn, überwand den vierten Wagen mit einem akrobatischen Sprung und erreichte die andere Seite der Straße. Tränen des Schmerzes vernebelten seine Sicht, ehe es ihm gelang, die Schwäche seiner Körperlichkeit auszuschalten.
Verflucht, wo steckte dieser Mistkerl?
Daniel überließ seinen Instinkten die Kontrolle. Als er weit vor sich Durats silbernen Haarschopf erblickte, mobilisierte er all seine Kräfte und entlud sie in einem wahnwitzigen Sprint. Menschen wurden beiseitegeworfen, doch sein Tunnelblick kümmerte sich nicht um das, was rechts und links von ihm geschah. Er fixierte Durat. Seine Sinne fanden zu schmerzhafter Schärfe. Als er sich dem Mann genähert hatte, dröhnte ihm dessen Herzschlag in den Ohren. Blut schoss durch seine Adern, rauschend, fiebrig, gesättigt von Adrenalin.
Daniel packte Durat am Hemd, schleuderte ihn herum und warf ihn gegen die Wand. Klappernd fiel seine Waffe zu Boden. Dergleichen benötigte er hier und jetzt nicht.
„Sie haben das Recht zu schweigen, Arschloch.“ Er verdrehte Durats Arme. „Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Können Sie sich keinen leisten, stellt Ihnen das Gericht einen zur Verfügung. Haben Sie die Rechte, die ich Ihnen erklärt habe, verstanden? Falls nicht, ist es mir auch egal.“
Durat lächelte nur. Daniel zerrte ihn herum, drückte seinen Rücken gegen die Mauer und verpasste ihm einen Faustschlag, der die Haut über dem Wangenknochen aufplatzen ließ.
„Du hast meine Frau bei lebendigem Leib verbrannt!“, schrie er ihm ins Gesicht. Ein zweiter Faustschlag gegen das Kinn. Ein Tritt in den Bauch. Durat krümmte sich wie ein Wurm. „Du hast ihre Seele zerstört und meine Partnerin bedroht. Du weißt, dass ich dich töten könnte. Und ehrlich gesagt bin ich der Meinung, dass ich genau das jetzt tun sollte. Ein Gefängnis wird dich nicht lange aufhalten. Ich kann nicht zulassen, dass du wieder auf freien Fuß kommst und deine kranke Fantasie weiterhin auslebst.“
Durat lachte. Blut quoll blubbernd aus seinem Mund. „So viel Zorn, so viel Liebe. Dieser Cocktail lässt deine Seele so hell brennen, dass es meinen Augen wehtut. Ich will sie. Ich will deine Erinnerungen und dein Wissen. Ich will alles von dir.“
„Fuck you.“ Daniel packte Durat mit beiden Händen am Kragen und presste ihn gegen die Wand. Der Geruch nach Blut, gepaart mit Wut und Verzweiflung, ließ ihn schier durchdrehen. In seinem Inneren wuchs eine brachiale Macht heran. Seine Kraft, vereint mit Moa’ris Zorn und der Magie der Kristalle. Er sah Mary vor sich. Er sah Elena, wie sie unter Durats Griff zitterte. Wie sie ihn flehend anstarrte, eine Kuchengabel an der Kehle. Alles in ihm schrie danach, diese elende Made umzubringen. Es wäre so leicht. Ein einziger Griff. Ein einziger Schlag. Warum tat er es nicht?
Verdammt, es war notwendig. Er konnte diesen Mistkerl nicht am Leben lassen.
„Es ist nicht so einfach, was?“ Durat lächelte und starrte ihn an wie ein Hungernder eine Köstlichkeit oder ein Verdurstender das Wasser anstarren würde. „Nichts ist einfach und geradlinig. Als mir der Autounfall das Gesicht zerstörte, hoffte ich, das Himmelsblut würde mich heilen. Das tat es auch, aber mein Augenlicht gewann ich nicht zurück. Zuerst hasste ich alles und jeden, aber bald erkannte ich, dass mir nichts Besseres hätte passieren können, als blind zu werden. Ich habe gelernt, wahrhaft zu sehen. Ich sehe nicht mehr die Körper der Menschen, ich sehe ihr Licht. Farbiges Licht. Auren. Die meisten leuchten schwach und in blassen Farben. Sie sind nichts Besonderes. Aber es gibt diese besonderen Menschen. Reine Seelen. Strahlende Seelen. Ihr Licht ist das Wundervollste, das du dir ausmalen kannst. So mehre ich meine Kraft und mein Wissen. Es ist herrlich. Noch herrlicher als das Himmelsblut und seine Magie. Aber deine Seele, Daniel, ist das Reinste und Strahlendste, dass ich je gesehen habe. Ich
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