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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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daherkommen, und Teufel liebten es, Masken zu tragen.
    Schritte erklangen. Elena straffte sich, nahm allen Mut zusammen und setzte das einstudierte Ich-liebe-Gott-und-die-Welt-Lächeln auf – doch als die Tür geöffnet wurde, fiel ihr dieses Lächeln aus dem Gesicht.
    Der Mann mit den toten Augen …
    „Besuch zu so später Stunde?“
    Tony Durats weißer, starrer Blick ging durch sie hindurch, und doch hatte Elena das Gefühl, niemals derart intensiv gemustert worden zu sein. Etwas schien ihre Seele aus dem Fleisch zu schälen, um sie mit eisigen Fingern zu untersuchen. Er war es. Großer Gott, er war es! Ihre Selbstsicherheit schmolz unter Tony Durats durchdringender Musterung dahin. Sie musste sich zusammenreißen. Daniel war ganz nahe. Er würde sich Gott und dem Teufel stellen, um sie zu beschützen.
    „G-g-guten Abend.“
    Mist. Ihre Stimme versagte. Ihr Körper signalisierte Angst und Unsicherheit. Elena räusperte sich, wich dem blinden Blick aus und starrte stattdessen auf einen imaginären Punkt hinter Durats Kopf. In ihrem Geist manifestierten sich scheußliche Bilder. Scheiterhaufen, brennende Körper, gellende Schreie. Sie musste ihre Angst in Zorn kanalisieren. Dieser Mann hatte nichts als Leid und Tod gesät. Er war ein Monster. Ein Seelen trinkendes Ungeheuer.
    Das alles war völlig verrückt! Wo war sie da eigentlich hineingeraten? In ein Schaudermärchen?
    „Verzeihen Sie bitte. Mein Name ist Irena Angelo. Interessiert Ihre Frau sich vielleicht für unser hochwertiges Avon-Kosmetikprogramm?“
    Es kostete sie alle Mühe, nicht einen Hilfe suchenden Blick in die Nacht zu schicken. Hinter den akkurat gestutzten Hecken stand der Mannschaftstransporter in einer von hier aus nicht einzusehenden Sackgasse. Sie konnte Daniel im Geiste vor sich sehen, wie er vor dem Monitor hockte und fluchte, weil es ihr nicht gelang, die Situation professionell zu meistern. Was war nur los mit ihr? War sie am Ende zu Recht strafversetzt worden? Taugte sie nicht für diesen Job und bildete sich nur ein, unerschütterlich zu sein? Andererseits – wer würde nach all dem, was sie erfahren hatte, nicht mit den Nerven am Ende sein? Verdammt, Daniel schwieg noch immer. Der Knopf in ihrem Ohr, hinter den Locken verborgen, blieb still. Sie sehnte sich nach seiner Stimme. Nichts anderes hätte ihr Mut machen können. Sag was!, flehte sie im Stillen. Rede mit mir. Ich brauche dich.
    „Erschrecken Sie bitte nicht. Ich weiß, mein Anblick ist furchterregend. Normalerweise trage ich eine Sonnenbrille.“
    Tony Durat sprach behutsam auf sie ein. Er erweckte den Anschein eines sanftmütigen Gentlemans der alten Schule, genau, wie es Christine beschrieben hatte, doch unter dieser trügerischen Hülle gärte etwas Namenloses, nicht Greifbares. Es war wie die schwarze Tiefe unter einer glitzernden Eisschicht. Wie das unsichtbare Monster im Dunkeln, dessen Nähe einem nur die Instinkte verrieten. Elena fühlte sich wie Rotkäppchen vor dem Wolf. Aber das hier war kein harmloses Märchen, in dem das Gute immer siegt, sondern eine düstere Mär.
    „Ich muss Sie ja fürchterlich erschreckt haben.“ Durat hob in einer Geste die Schultern, deren Unsicherheit nur auf Täuschung beruhte. Aber eines musste man ihm lassen, er spielte seine Rolle perfekt. Jeder, der weniger als Elena wusste, würde ihm auf den Leim gehen. „Kann ich etwas tun, um Ihnen die Angst zu nehmen?“
    „Es ist in Ordnung“, krächzte sie.
    „Möchten Sie einen Tee oder einen Kaffee?“
    „Ich …“ Adrenalin flutete ihren Körper, ihr Gleichgewichtssinn kränkelte. Daniel, sag etwas! Sag bitte irgendetwas!
    „Rein in die gute Stube“, raunte es aus dem Knopf in ihrem Ohr. Seine Stimme war schmeichelnd und weich. Trotz ihrer prekären Lage überzog sich Elenas Körper mit einer Gänsehaut, die nicht auf Angst beruhte. „Wir sind ganz nah. Wenn etwas nicht rund läuft, sind wir bei dir.“
    Mut keimte wie ein zartes, schnell Wurzeln schlagendes Pflänzchen. Ob er ihre Gedanken gelesen hatte? Am liebsten hätte sie laut „Er ist es!“ gebrüllt, stattdessen nahm sie mit einem galanten Lächeln die Einladung an und trat ein. „Ich bevorzuge Kaffee.“
    Tony Durat lächelte zufrieden. „Aber gern doch.“
    Augenblicke später fand sie sich in einem gediegenen, stilvollen Reich wieder. Dunkles Holz, weiche Perserteppiche und Antiquitäten dominierten die Einrichtung. Es roch nach alten Büchern, ein angenehmer, modriger Geruch, disharmonierend mit dem

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