Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
übersensibel auf nur eine bestimmte oder auf einen ganzen Bereich von Empfindungen reagieren.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass diese Menschen
– unbewusst ihre Aufmerksamkeit ständig auf die Gefühle richten, die ihnen am unangenehmsten sind,
– auch auf kleinste Gefühlsschwankungen äußerst sensibel reagieren,
– ihre eigenen Empfindungen sofort wahrnehmen,
– sich völlig auf ihre eigenen Gefühle konzentrieren, sobald sie sie wahrgenommen haben.
Dritter Schritt: Die Angst vor bestimmten Gefühlen
Drittens bekommen die Betroffenen Angst vor bestimmten Gefühlen. Wenn sie glauben, dass eine Panikattacke in Wirklichkeit ein Herzinfarkt war, dann sind die Symptome, vor denen sie sich am meisten fürchten, vielleicht eine Beschleunigung des Herzschlags, Schmerzen in der Brust, Schweißausbrüche oder Herzklopfen (Palpitationen). Sobald sie eines dieser Symptome bei sich feststellen, bekommen sie Angst.
Ein Mann, den ich behandelte, als ich gerade damit begann, mich mit Panikstörungen zu beschäftigen, hatte große Angst vor Schmerzen im Brustbereich. Sobald diese Schmerzen auftraten, glaubte er, dass ihm ein Herzanfall bevorstehe. Ich bat ihn, während der folgenden Woche ein »Schmerztagebuch« zu führen und genau einzutragen, um welche Uhrzeit die Schmerzen auftraten und wie stark sie waren. Auf diese Weise machte er eine interessante Entdeckung: Immer, wenn er Schmerzen im Brustbereich verspürte, hatte er etwa zwanzig Minuten zuvor einen Kaffee getrunken oder eine größere Mahlzeit zu sich genommen. Es handelte sich schlicht und einfach um Verdauungsprobleme und nicht etwa um Vorboten eines Herzanfalls!
Nicht nur vor bestimmten körperlichen Empfindungen, sondern auch vor bestimmten Gedanken können sich die Betroffenen fürchten. Sie denken beispielsweise: »Ich werde verrückt«, und dieser Gedanke, der ihnen wieder und wieder durch den Kopf geht, macht ihnen wirklich Angst.
Vierter Schritt: Der Teufelskreis
Viertens – und das ist einer der Hauptgründe, warum Panikattacken oft immer wieder auftreten – geraten die Betroffenen in einen Teufelskreis (siehe Abb. 2). Sie stellen vielleicht bei sich selbst irgendeine Veränderung des körperlichen Befindens fest, z.B. eine Beschleunigung des Herzschlags. Wenn sie befürchten, dass es zu einer Panikattacke kommt, dann kann diese Angst dazu führen, dass die körperlichen Symptome sich verstärken. Das Herz schlägt noch schneller – die Angst steigert sich noch mehr, und das kann zu einer weiteren Beschleunigung des Herzschlags führen. So kann die Angst vor einer Panikattacke eine solche tatsächlich auslösen. Dieses Phänomen wird in der Fachliteratur oft erwähnt. Man findet hierfür die Bezeichnungen »Angst vor der Angst«, »Symptomangst«, »Angstspirale« oder »Panikspirale«. Der bloße Gedanke: »Vielleicht bekomme ich eine Panikattacke« kann genügen, um in einem Menschen diesen Teufelskreis auszulösen.
Abb. 2: Der Teufelskreis der Angst
Fünfter Schritt: Vermeidungsmuster
Fünftens fangen die Betroffenen an, ihren Lebensstil zu verändern. Sie vermeiden Orte, an denen sie einmal eine Panikattackeerlebt haben, und achten darauf, sich nicht in eine Situation zu bringen, von der sie befürchten, dass sie bei ihnen eine Attacke auslösen könnte. Sie bemühen sich, nichts zu tun oder zu denken, was zu einer Panikattacke führen könnte.
Abb. 3: Vermeidungsmuster
Das Vermeidungsverhalten ist bei den Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt.
Vollständige Vermeidung
Das ist der direkteste Weg, aber auch der zerstörerischste. Eine traurige Beschreibung dieses Vermeidungsmusters findet sich in dem Buch The Autobiography of David . 15 Es handelt sich um die Geschichte eines bekannten Journalisten, der so stark unter Panikattacken und Agoraphobie litt, dass er seine Wohnung schließlich überhaupt nicht mehr verlassen konnte.
Einzelne Vermeidungsstrategien
Es gibt viele Strategien, die Betroffene anwenden, um eine befürchtete Panikattacke schon im Entstehen abzuwehren. Einige typische Verhaltensmuster sind:
– vor einer als schwierig empfundenen Aufgabe Tabletten einnehmen oder Alkohol trinken,
– einen guten Freund mitnehmen,
– ein Kind bei der Hand halten,
– einen Hund oder Spazierstock mitnehmen,
– Kaugummi kauen oder Bonbons lutschen,
– innerlich ständig angespannt bleiben,
– eine Sonnenbrille tragen,
– sich in Gedanken ständig mit irgendetwas
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