Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
Gedanken an Angst zu vermeiden;
– er nahm in Gegenwart anderer Menschen keine Tassen in die Hand;
– wenn er etwas an die Tafel schreiben musste, nahm er vorher ein alkoholisches Getränk zu sich;
– er achtete darauf, dass er körperlich erschöpft war, bevor er bestimmte Dinge in Angriff nahm, die er als besonders schwierig empfand;
– er trank weniger Tee;
– er suchte in regelmäßigen Abständen eine öffentliche Toilette auf, um zu prüfen, ob er in seine Unterwäsche uriniert hatte.
Daneben hielt er sich an eine Reihe von »Lebensrettern«:
– An bestimmten Tagen, wenn er befürchtete, eine Panikattacke zu erleiden, nahm er Wäsche zum Wechseln mit (aus Angst, in seine Kleidung zu urinieren).
– Wenn er zitterte, versuchte er, sich überhaupt nicht mehr zu bewegen.
– Er sagte sich selbst: »Wenn ich schließlich verrückt werde, werde ich nicht mehr wissen, dass ich verrückt bin, und dann macht es mir auch nichts mehr aus.«
– Er stellte sich innerlich auf ein Leben als Behinderter ein.
Ich erklärte ihm, dass er niemals herausfinden würde, was wirklich während einer Panikattacke geschähe, solange er diese Strategien beibehielte. Er würde weiterhin in der Überzeugung leben, dass das befürchtete »Übermaß an Angst« dazu führen könnte, dass er die Kontrolle über seinen Körper und seinen Geist verlöre.
Die von ihm angewendeten Sicherheitsmaßnahmen stoppten die Panikattacken schon im Entstehen oder bewirkten zumindest, dass sie in ihrer Wirkung abgeschwächt wurden, sodass er nie erfuhr, was wirklich geschehen würde. Ich erklärte ihm, dass er sich selbst bewusst in Situationen begeben müsse, die dazu geeignet waren, eine Panikattacke auszulösen – er sollte sein gewohntes Verhalten, sich zu »entziehen«, wie er es nannte, aufgeben.
Dritte Sitzung: der »Knackpunkt«
Nach einer Woche sahen wir uns wieder. Ralph wohnte weiterhin bei seiner Mutter und fühlte sich nicht mehr so isoliert wie zuvor. Er schlief jetzt auch besser. Er hatte an dem Gedankenfestgehalten, dass Panikattacken, wenn man ihnen ihren natürlichen Verlauf lässt, von selbst wieder abklingen, wie ich es ihm in der vorangegangenen Sitzung erklärt hatte. Er hatte in beschränktem Rahmen versucht, das selbst zu testen, indem er sich für kurze Zeit in Supermärkte begeben hatte.
In unserer dritten Sitzung sollte es darum gehen, dass Ralph sich in meinem Beisein bestimmten Alltagssituationen aussetzte. Die Sitzung sollte nicht in meinem Büro stattfinden, sondern wir wollten zusammen in die Stadt gehen und dort bestimmte Dinge üben. Ich erklärte Ralph noch einmal, dass er versuchen sollte, selbst eine Panikattacke auszulösen und sie dann durchzustehen, ohne von seinen üblichen Schutz- und Rückzugsmechanismen Gebrauch zu machen. Wir hatten bereits festgestellt, dass große Geschäfte in seinem Fall besonders dazu geeignet waren, eine Panikattacke auszulösen. Also schlug ich ihm vor, ins Stadtzentrum von Aberdeen zu gehen und dort ein großes Geschäft aufzusuchen. Wie bei den meisten meiner Patienten war das die Situation, die er am meisten fürchtete, aber ich glaube, es war ihm klar, dass er keine großen Fortschritte machen würde, wenn er sich nicht an diese Hürde heranwagte.
Also stiegen wir in mein Auto und fuhren ins Stadtzentrum. Dort parkten wir und gingen zu Debenhams. In Aberdeen befindet sich Debenhams in einer Einkaufspassage und hat drei Stockwerke. Wir begannen mit dem Erdgeschoss; dort gibt es Parfüm, Schmuck, Herrenkleidung und Sportartikel. Obwohl Ralph Angst verspürte, interessierte er sich für die Abteilung Herrenkleidung – wegen seiner Angst vor einer Panikattacke hatte er in den letzten zwei Jahren nur Kleidung eingekauft, die er in dem kleinen Dorfladen bekam (abgesehen von dem, was Verwandte hin und wieder für ihn besorgten). Während wir herumgingen und uns umsahen, wurde er von einer kurzen Panikwelle erfasst, die jedoch schnell wieder vorüberging. In solchen Situationen finden meine Patienten sicher, dass ich eine richtigeNervensäge bin, denn ich frage immer wieder: »Ist die Attacke von allein vorbeigegangen, oder haben Sie etwas getan, um sie zu stoppen?« Ich will damit die kleinen Tricks und »Lebensretter« entlarven, auf die meine Patienten zurückgreifen, um eine Panikattacke abzuschwächen. Doch, ja, er hatte sich innerlich stark angespannt, damit die Panikgefühle nicht stärker wurden. Ich erklärte ihm noch einmal, dass
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